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Bausenatorin Katrin Lompscher verantwortete die umstrittene Berufung von Andrej Holm.

© dpa/ Rainer Jensen

Nach dem Rücktritt Andrej Holms: Die Linke übt Selbstkritik – ein wenig

Nach Andrej Holms Rücktritt steht die Berliner Linke unter Druck und sucht nach Strategien. Innerhalb des Landesverbands sieht man auch eigene Fehler in der Debatte.

Von
  • Sabine Beikler
  • Matthias Meisner

Die Berliner „Vorlage“ für ein rot-rot-grünes Linksbündnis im Bund zeigt in der Praxis, dass ein vertrauensvoller Umgang bei drei Partnern schwierig umzusetzen ist. „Wir haben uns alle mit Ruhm nicht bekleckert“, sagte der frühere Berliner Landes- und Fraktionschef und Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich. Immerhin: Die Linke übt nicht nur Kritik am Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD), sondern sieht auch ihr Verhalten durchaus kritisch. „Wir hätten uns die gesamten Stasi-Unterlagen von Andrej Holm anschauen müssen“, sagte ein Spitzengenosse. Das Handeln von Müller ohne eine Entscheidung von Andrej Holm abgewartet zu haben, sei ein „herber Schlag“ für die Partei. Nicht nur das.

Die Linke hat auf Holm als die Galionsfigur der linken Mieterinitiativen und außerparlamentarischen Bewegungen gegen Gentrifzierung gesetzt. Auf den Basiskonferenzen vor dem Mitgliederentscheid zur Annahme des Koalitionsvertrags stellte die Parteispitze die wesentlichen Punkte ihrer Basis vor: Änderung der AV Wohnen, Ausweitung der direkten Demokratie, Wohnungsbau, bezahlbare Mieten, eine Verkehrs- und Energiewende. Und das haben die 7300 Mitglieder ohne viel Protest mitgetragen: Fast 90 Prozent stimmten Anfang Dezember für den Koalitionsvertrag.

Die Berliner Linke setzte auch während des Wahlkampfs ganz bewusst auf Mieterinitiativen und machte Werbung mit der inzwischen verstorbenen Mietrebellin „Oma Anni“. 15,6 Prozent bei der Abgeordnetenhauswahl gaben der Partei wieder Auftrieb und Tatkraft zurück. Und sie erhielt als zweitstärkster Koalitionspartner die wichtigen strategischen Ressorts wie Kultur, Soziales und Stadtentwicklungspolitik.

Katrin Lompscher ist eine erfahrene Verwaltungsfrau, geradlinig und Stadtplanerin. Sie war von 2006 bis 2011 Senatorin für Gesundheit, Umwelt- und Verbraucherschutz und geriet damals öfter mit Klaus Wowereit aneinander. Denn Lompscher kann schon sehr auf ihren eigenen Positionen beharren und ist dann für andere Argumente nicht sehr zugänglich.

Dass Lompscher Andrej Holm in die Regierung geholt hat, betrachteten viele Sozialisten als gelungenen Schachzug, um die Gestaltungshoheit in einer linken Mietenpolitik zu erhalten. Allerdings sagen auch einige Parteifreunde, bei der Auswahl ohne genaue Kenntnis aller Akten seien Fehler gemacht worden. Und man habe die „Vehemenz der Debatte um die Stasi-Vergangenheit“ falsch eingeschätzt. Dass eine solche Debatte so gewaltig polarisiert, habe man nicht erwartet. Dem Vernehmen nach sprachen Müller und Lompscher schon am Rande der Plenarsitzung am Donnerstag miteinander, dass die Situation so nicht mehr weitergehen könne.

Nach Holms Rücktritt steht die Berliner Linke unter Druck. Von „Verrat“ ist im Internet die Rede, von einer „Hetzkampagne“ und von angekündigten Austritten, „wenn ihr Andrej Holm fallen lasst“. Und davon, dass die Linke sich „nicht wieder klein“ machen solle und sich nicht „opportunistisch“ verhalten dürfe. „Haltung und Charakter sind gefragt: keine Menschenopfer (Holm) für ein höheres Ziel (R2G)“, schreibt ein Internet-User unter die Erklärung des Linken-Landesvorstands nach dem Rücktritt von Andrej Holm. Am heutigen Dienstagabend will der Landesvorstand der Linken tagen und über weitere Strategien beraten.

Klar ist: Das Gelingen oder Nicht-Gelingen von Rot-Rot-Grün in Berlin ist für die Linke von strategisch viel höherer Bedeutung als die Koalitionen in Brandenburg und Thüringen. Umso verwunderter sind führende Funktionäre darüber, warum der Streit um die Personalie Holm so eskalieren konnte. „Möglicherweise ist in Berlin in den Beziehungen zwischen SPD, Linken und Grünen ein Schaden entstanden, der nicht wieder gutzumachen ist“, sagte die thüringische Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow dem Tagesspiegel. Die Berliner Koalitionspartner hätten sich in Thüringen einiges abgucken können – besonders, was das gemeinsame Regieren „auf Augenhöhe“ angehe. Nun laste auf Rot-Rot-Grün eine Hypothek, die vermeidbar gewesen wäre. Sabine Beikler/Matthias Meisner

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