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Ist der Ruf erst ruiniert: Berlins Taxifahrer haben kein gutes Image. Wie viele ungeeignete Chauffeure unterwegs sind, weiß selbst die Innung nicht. Doch für eine strengere Überwachung hat der Senat kein Geld übrig.

© Kai-Uwe Heinrich

Nach dem tödlichen Unfall in Wedding: Berlins Taxifahrer außer Kontrolle

17 000 Chauffeure sind in der Stadt unterwegs – nur sechs Mitarbeiter einer Behörde sollen sie überwachen. Viel zu wenig, meint selbst die Taxi-Innung.

Von Sandra Dassler

Seit mehr als einem Vierteljahrhundert fährt Peter Müller (Name geändert) Taxi in Berlin. Nur zwei Mal sind in diesen 25 Jahren seine Lizenz als Taxiunternehmer und seine Berechtigung zur Personenbeförderung bei Straßenkontrollen überprüft worden. „Da denken manche, das sei schön, so wenig Kontrollen“, sagt er. „Aber alle ehrlichen Taxifahrer in Berlin wünschen sich, dass viel mehr und viel härter kontrolliert würde.“

Der Wunsch resultiert nicht nur aus der Diskussion über den Taxifahrer, der wie berichtet am Ostermontag in Wedding ein älteres Ehepaar beim rasanten Rückwärtsfahren tödlich verletzte. Es geht um das Ansehen der Branche generell – und da denken viele wie Peter Müller, sagt der stellvertretende Vorsitzende der Taxi-Innung, Roland Bahr: „Wir fordern, dass das für die Taxi-Ordnung zuständige Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Labo) endlich seine Aufsichts- und Kontrollpflicht wahrnimmt. Vorschriften gibt es genügend. Aber da nur sechs Labo-Mitarbeiter für 7244 Taxen und rund 17 000 Fahrer zuständig sind, schaffen sie es nicht einmal, jene Sünder zu bestrafen, die sie von uns gemeldet bekommen.“

In der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, der das Labo unterstellt ist, kennt man das Problem durchaus. „Wir haben bei den letzten Haushaltsverhandlungen versucht, sechs Stellen mehr für das Labo zu bekommen, sind aber an der Finanzverwaltung gescheitert“, sagt Staatssekretär Andreas Statzkowski (CDU). Man versuche aber weiter, das Problem zu lösen. „Wir werden allerdings im Zusammenhang mit der Eröffnung des Großflughafens in Schönefeld die Kontrollen deutlich intensivieren – zumindest für eine gewisse Zeit.“

Roland Bahr von der Taxi-Innung kann über die Ankündigung nur müde lächeln. „Diese Kontrollen müssen sowieso sein, weil es Ärger mit den zusätzlichen Taxen aus dem Landkreis Dahme-Spree gibt“, sagt er (siehe Kasten). „Das löst aber nicht das Problem, dass viel zu selten kontrolliert wird, ob jemand P-Schein beziehungsweise FzF-Schein besitzt.“

Vom P-Schein reden in der Branche noch alle, er steht für Personenbeförderungsschein, der längst durch die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung (FzF) abgelöst wurde. Die kann in Berlin erhalten, wer das 21. Lebensjahr vollendet hat, ein polizeiliches Führungszeugnis sowie eine Auskunft aus dem Verkehrszentralregister vorlegt sowie eine ärztliche Untersuchung und ein Gutachten eines Arbeits- oder Betriebsmediziners, wonach er gesund und fahrtauglich ist.

Auch muss der Bewerber in einer Prüfung Ortskenntnisse in Berlin nachweisen – rund 80 Prozent fallen dabei durch, sagt Innungschef Bahr. Vorwürfe, dass bei den Tests gemauschelt wird, weist er zurück: „Das würden die Prüfer nicht tun, es wäre technisch auch nicht möglich.“ Die FzF wird für fünf Jahre erteilt, kann danach auf Antrag und nach erneuter Vorlage der genannten Belege verlängert werden. Sie erlischt automatisch bei Entzug der allgemeinen Fahrerlaubnis.

„Alles gut, nur leider wird es eben nicht kontrolliert“, sagt Roland Bahr. Taxifahrer berichten, dass sich manchmal mehrere Geschwister einen P-Schein teilen. Die mangelnde Ortskenntnis werde dann durch das Navi oder die telefonische Anweisung ersetzt. Oft würden Fahrer auch 18 Stunden unterwegs sein.

Manches Problem könnte man vielleicht durch einen elektronischen Fahrtenschreiber lösen, sagt der Leiter der Unfallforschung der Versicherer, Siegfried Brockmann. Doch Innungschef Bahr hält davon ebenso wenig wie von einem Gütesiegel, das die Innung an Taxen vergeben könnte, die Qualitätskriterien einhalten. „Die Fahrgäste interessieren sich dafür nicht“, sagt er. „Die schauen nicht einmal auf die Konzessionsnummer, die jedes Taxi an der Heckscheibe haben muss“. So kenne man am Flughafen Tegel seit Jahren einen Schwarztaxifahrer, den alle „Richard, den Russen“ nennen. Der habe nicht einmal ein Taxischild und die Leute stiegen dennoch ein. Zweimal habe man ihn verhaftet, er komme immer wieder.

Aber auch unter den zugelassenen Fahrern gibt es Trickser und Betrüger. Manche suchen sich gezielt ahnungslose Ausländer aus, erzählt Bahr. 180 Euro habe mal einer von Tegel bis zum Hotel am Lützowplatz gezahlt, das koste nicht mal 20 Euro. Solche Leute machen das Image der Branche kaputt, sagt Taxifahrer Peter Müller. Er hat längst aufgegeben, solche „Kollegen“ auf Anstand hinzuweisen. „Da muss man ja aufpassen, dass man nicht eins auf die Nase kriegt“, sagt er. Die Zeiten, in denen ein leeres Taxi kein anderes überholte, seien längst vorbei. Ein Wunder, meint er, dass nicht mehr passiere.

Unfallforscher Brockmann glaubt übrigens nicht, dass Taxifahrer mehr Unfälle verursachen als andere Autofahrer. Jedenfalls nicht, wenn man die gefahrenen Kilometer zur Unfallhäufigkeit ins Verhältnis setze. Auch wenn es keine entsprechende Statistik gäbe, könne man eins aber stets beobachten, sagt er: „Da, wo der Verdienst im Verhältnis zur Fahrzeit steht, werden Verkehrsregeln schneller missachtet.“ Das gelte für Lieferwagen ebenso wie für Fahrradkuriere oder eben Taxen.

Auch der tödliche Unfall in Wedding sei eine Folge von Zeit- und Konkurrenzdruck, vermutet Innungschef Roland Bahr. Der 25-jährige Taxifahrer sei erst an der Schlange seiner Kollegen vor dem Virchow-Klinikum vorbeigefahren. Dann habe er gemerkt, dass die Schlange nicht so lang sei und sei deshalb mit Tempo 40 zurückgestoßen - wohl, um dem nächsten Taxi zuvorzukommen. Das habe das ältere Ehepaar vermutlich das Leben gekostet.

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