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Der Flughafen Tegel kann teuer werden für Berlin.

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Nach dem TXL-Volksentscheid: Lederer träumt schon von Techno in Tegel

Der Senat diskutiert am heutigen Dienstag die Folgen und Optionen einer Tegel-Offenhaltung. Fest steht: Es wird teuer.

Von Sabine Beikler

Die Senatskanzlei gab letzte Woche Hausaufgaben auf: Jedes Fachressort sollte eine Einschätzung abliefern, welche Folgen die Öffenhaltung von Tegel nach einer BER-Eröffnung nach sich ziehen würde. Diese Zuarbeit will der Senat auf seiner heutigen Sitzung besprechen. Das Material soll als Arbeitsgrundlage für einen Schlichter dienen. Aber wird der Senat heute diese Person präsentieren? Die finalen Gespräche würden laufen, hieß es aus dem Roten Rathaus. Das hörte man aber auch schon vor einer Woche.

Mit einem Punkt muss sich der Schlichter auf jeden Fall befassen: den enormen finanziellen Mehrkosten bei einer Offenhaltung von Tegel. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) bezifferte sie auf 1,5 Milliarden Euro plus Summe X. Mindestens 1,1 Milliarden Euro müssten für die Flughafen-Sanierung und 400 Millionen Euro für den Schallschutz aufgebracht werden. Ein langjähriger Weiterbetrieb des Flughafens Tegel würde umfangreiche Sanierungs- und Umbauarbeiten an den teilweise seit 1974 genutzten Gebäuden und Anlagen erfordern.

Ein Parallelbetrieb von zwei Standorten bei einem Weiterbetrieb von Tegel mit rund zehn Millionen Passagieren pro Jahr wäre laut Finanzverwaltung für die Flughafengesellschaft mit Mehrbelastungen von mindestens 100 Millionen Euro jährlich verbunden. Laufende Instandhaltungsmaßnahmen sind noch nicht berücksichtigt.

Das kann Tegel kosten

Mit dem Lärmschutz befassen sich ressortübergreifend die Finanz-, Gesundheits- und Umweltverwaltung. Laut Angaben des Umweltbundesamtes ist Tegel der Flughafen mit den meisten Lärmbetroffenen in Deutschland. Laut Ergebnissen der Lärmkartierung sind tagsüber 141 900 Berliner von 55 bis 60 Dezibel Fluglärm betroffen, 133 900 von über 60 Dezibel Fluglärm. Knapp 300 000 leiden folglich unter dem Krach. Anspruch auf baulichen Schallschutz haben aber nur 137 000 Anwohner.

Grundlage für die Senatsberechnungen war die EU-Umgebungsrichtlinie, Schallschutz wird aber nach dem Fluglärmschutzgesetz berechnet. Die Kostenberechnungen für den abgeleiteten Lärmschutz liegen bei knapp 400 Millionen Euro. Bei einem Weiterbetrieb von Tegel aber muss der Schallschutz neu geregelt werden. Denn die Ausnahmeklausel für Tegel läuft 2019 aus. Und sollte der Flughafen auch nach einer BER-Eröffnung geöffnet bleiben, wird mit tausenden von Anwohner-Klagen für Nachrüstungen im Schallschutz gerechnet – und mit zusätzlichen Kosten in Millionenhöhe.

Diese Folgenabschätzung werden Kollatz-Ahnen und Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) präsentieren. Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) wird die gesundheitlichen Folgen von Fluglärm beschreiben.

Das war noch geplant

Das zweite große Thema ist die Nachnutzung, die die Bereiche Stadtentwicklung, Wissenschaft, Kultur, Bildung, Wirtschaft und Inneres betrifft. Auf dem Tegeler Flugfeld sollen 9000 Wohnungen, sechs Kitas, eine Grundschule und ein Jugendfreizeitzentrum entstehen, die Beuth-Hochschule im Hauptgebäude unterkommen und eine „Urban Tech Republic“ mit 5000 Studierenden auf dem Campus und 20 000 Jobs in Zukunftstechnologien entstehen.

Die Bildungsverwaltung plant allein in Pankow zehn weitere Schulen und in Spandau fünf Schulneubauten, die in der jetzigen Einflugschneise liegen. In Reinickendorf sind im Flughafenbereich derzeit vier neue Schulen geplant, davon zwei direkt auf dem jetzigen Flughafengelände. Bliebe Tegel offen, wäre völlig offen, welche Schulen gebaut werden können. Darüber hinaus müssten für die bestehenden Schulen und Kitas in der Einflugschneise Lärmschutzmaßnahmen getroffen werden. In den beiden lautesten Zonen (mehr als 60 Dezibel) gibt es derzeit 61 Schulgebäude und mindestens 50 Kitas.

Ein Rave für Tegel?

Auch die Berliner Feuerwehr- und Rettungsdienst-Akademie (BFRA) in Schulzendorf, in der alle Feuerwehrleute aus- und fortgebildet werden, plant ihren Umzug auf Teile des heutigen Flughafens Tegel. Dort könnten multifunktionale Übungshallen für eine der größten Feuerwehrschulen bundesweit entstehen. Am Standort Schulzendorf gibt es keine ausreichenden Räumlichkeiten. In einer wachsenden Stadt wie Berlin ist Brandschutz enorm relevant für die Sicherheit.

Bliebe Tegel offen, würde die überlastete Justiz zusätzlich gefordert werden. 2016 meldete die Bundespolizei 9000 Pass- und Aufenthaltsverstöße auf dem Flughafen Tegel. In diesem Jahr waren es bisher 4000. All diese Verstöße werden vor Berliner Amts- oder Verwaltungsgerichten verhandelt. Hinzu kommen Straftaten wie Taschendiebstähle.

Kultursenator Klaus Lederer (Linke) hofft auf Freiräume für die Clubszene. Nach einer Tegel-Schließung werde es Räume für die kulturelle Zwischennutzung der Bestandsgebäude geben und perspektivisch dauerhafte Flächen für Clubs und Events geben. Aber nur wenn Tegel geschlossen wird, können sich Techno-Fans auf einen „Flughafen-Rave“ freuen.

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