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Helme von Vattenfall

© dpa

Nach dem Volksentscheid: Verschnaufpause für Vattenfall-Mitarbeiter

Der Volksentscheid Energie hat den Berliner Vattenfall-Mitarbeitern in den vergangenen Wochen Bauchschmerzen bereitet. Jetzt können die Beschäftigten erst einmal aufatmen. Langfristig haben sie trotzdem Grund zur Sorge.

Formal wurde am Sonntag über einen Gesetzentwurf abgestimmt, aber inoffiziell ging es gegen ein Unternehmen: „Vattenfall den Stecker zieh’n!“ Diesem Slogan konnte in den vergangenen Wochen keiner entkommen. Auch nicht die 5500 Berliner Mitarbeiter des Energiekonzerns. Die 1200 davon, die bei der Netzgesellschaft beschäftigt sind und damit direkt im Fokus der Kampagne standen, hätten sich als Gegenstand einer öffentlichen Debatte teils sehr unwohl gefühlt, ist im Unternehmen zu hören. „Angepisst an jeder zweiten Laterne“, formuliert es ein Kollege drastischer. Insofern sei das Ergebnis für die Psyche ganz angenehm.

Die offizielle Sprachregelung am Sonntagabend war sachlicher: „Wir nehmen das Ergebnis zur Kenntnis und arbeiten weiter an der Bewerbung um die Konzession“, sagte Unternehmenssprecher Hannes Hönemann. „Ein ganzes Team arbeitet mit Hochdruck daran.“ Die zweite Kernforderung des Entscheids betrachtet Vattenfall offiziell ohnehin als irrelevant und deshalb nicht kommentierungswürdig: Ob es nun 315 konkurrierende Stromanbieter gebe oder 316, sei relativ egal.

Sollte es bei den 1,5 Millionen Euro bleiben, die die Koalition für ihr Bonsai- Stadtwerk eingeplant hat, ist es in der Tat egal. Doch jenseits dessen ist die Stimmung unter den Beschäftigten durchwachsen. Einerseits stöhnen sie über mühsame Entscheidungswege im Konzern. Andererseits wissen sie um den Wert ihrer gerade für Berliner Verhältnisse oft gut bezahlten Arbeitsplätze.

Jene, die das Stromnetz betreiben, sind nicht wirklich von Existenzangst geplagt, weil sie auch unter veränderten Vorzeichen kaum arbeitslos werden dürften. Seit der chinesische Interessent State Grid aus dem Rennen um die Netzkonzession ausgeschieden ist, seien die Kollegen entspannter, berichtet einer.

Auch jene, die für die Holding und im Wärmebereich arbeiten, machen sich kurzfristig wenig Sorgen: Immerhin beliefern die Berliner Kraftwerke fast ein Drittel der Wohnungen in der Stadt mit Fernwärme. Das nimmt so schnell niemand weg. Allerdings kann Konkurrenz erwachsen; etwa durch russische Investoren, die Gaskraftwerke bauen wollen, um ihrem heimischen Rohstoff neue Märkte zu erschließen und die sehnlich gewünschte Ergänzung zum unsteten Wind- und Sonnenstrom zu liefern.

Bei einem Erfolg des Volksentscheids wären die Sorgen akuter geworden: Nach Hamburg wäre dann auch aus dem symbolträchtigeren Berlin ein Signal nach Stockholm gegangen, dass Vattenfall unerwünscht ist. „Braunkohle ist in Schweden das, was hier die Atomkraft ist“, sagt ein Branchenkenner. „Es gibt da einen ausgeprägten Widerwillen.“ Die Braunkohle mit ihren immensen Folgeschäden habe Potenzial, beim Eigentümer – dem schwedischen Staat – zum ernsthaften Politikum zu werden. Und bei Berliner Mitarbeitern ist oft der Seufzer zu hören, dass ihnen ohne die Umbenennung viel Ärger erspart geblieben wäre: Die Bewag wäre noch die Bewag und die Berliner Kollegen würden weiter als lokales Urgestein wahrgenommen statt als Diener eines Atom- und Braunkohle-Raubtiers.

Langfristig gilt der Rückzug von Vattenfall aus Deutschland als denkbar. Im Moment aber macht der Konzern ausgerechnet mit den dreckigen Kraftwerken in der Lausitz die größten Gewinne. Das Geld wird beispielsweise gebraucht, um einen Kredit für den Gasversorger Nuon zu tilgen, den Vattenfall 2009 gekauft hat. Seitdem ist das Gas billiger geworden, was den Wert von Nuon senkt. Aber der Kredit ist noch da. Vattenfall braucht also viel Geld. Geld, das in Berlin und Brandenburg verdient wird.

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