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Nach EU-Urteil: Erster Sicherungsverwahrter kommt frei

Die juristische Auseinandersetzung um sicherheitsverwahrte Täter findet kein Ende: Trotz einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sitzen in Berlin noch neun Menschen in Haft, die bereits hätten entlassen werden müssen.

Genau ein Jahr nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR), sitzen in Berlin immer noch neun sicherungsverwahrte Täter in Haft, die theoretisch schon hätten entlassen werden müssen. Die juristische Auseinandersetzung findet kein Ende. Nur einer der neun Männer wird voraussichtlich im Februar entlassen. Derzeit gibt es in Berlin 42 Sicherungsverwahrte, bundesweit sind es rund 500.

Der Europäische Gerichtshof hatte 2009 geurteilt, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung die Menschenwürde verletzt. Mit der Entscheidung sei eine Überarbeitung des Gesetzes „dringend erforderlich geworden“, sagte Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) am Freitag im Bundesrat. Dort wurde eine Reform der Sicherungsverwahrung beschlossen, die am 1. Januar in Kraft tritt.

„Die vielen Verzögerungen sind einfach nicht rechtmäßig“, sagte Rechtsanwalt Steffen Tzschoppe, der mehrere Sicherheitsverwahrte vertritt. Vor drei Monaten gab es eine Anhörung beim Landgericht über die Entlassung eines seiner Mandanten. Doch bis heute hat das Gericht nicht entschieden. „Ich habe inzwischen Dienstaufsichtbeschwerde gegen den Richter eingelegt“, sagte Tzschoppe.

Zuletzt entschied das Landgericht im Oktober über die Entlassung von drei Berliner Sicherungsverwahrten. Bei zwei Männern wurde der Entlassung zugestimmt, bei einem erfolgte die Ablehnung. Die Staatsanwaltschaft legte umgehend Beschwerde gegen die Freilassungen ein, ebenso Tzschoppe gegen die Entscheidung, seinen Mandanten in Haft zu behalten. Der Bundesgerichtshof hat dazu noch nicht entschieden. Unklar ist, wie sich das neue Gesetz konkret auf die Beurteilung auswirken wird.

Wie jetzt bekannt wurde, zog die Staatsanwaltschaft die Beschwerde gegen die Entlassung von Jürgen B. überraschend zurück. Somit wird der 69-Jährige vermutlich Ende Februar unter strengen Auflagen entlassen. Er sitzt seit 1969 in Haft und ist gesundheitlich stark angeschlagen. Der Gutachter sah „keine eingeschliffene Gewalttätigkeit“ bei dem „zurückgezogenen Einzelgänger“. Es sei nicht zu erwarten, „dass er nochmals schwerwiegende Straftaten begehen werde“, so die Einschätzung des Gerichts. B. wurde 1980 und 1984 jeweils wegen Totschlags verurteilt.

Möglicherweise wird Berlin bald zusammen mit dem Land Brandenburg eine gemeinsame Anstalt für sicherungsverwahrte Täter betreiben. Nach Aussage von Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) sollte bis zum Jahreswechsel ein erstes Eckpunktepapier vorgelegt werden. Darin sollen die Anforderungen des EGMR bei der Sicherungsverwahrung berücksichtigt werden. Im Gespräch ist die Justizvollzugsanstalt Brandenburg/Havel. In dem Ort befindet sich bereits eine Landesklinik, eine sozialtherapeutische Anstalt innerhalb der JVA und ein Maßregelvollzug. Zudem steht mit dem Hafthaus 4 ein Gebäude leer und könnte umgerüstet werden.

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