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Absperrung überwunden. Am 13. März 2010 waren auch im Olympiastadion Fans nach dem Spiel auf den Platz gelangt. Hertha hatte die Erstligapartie gegen Nürnberg mit 1:2 verloren. Danach wurde das Sicherheitskonzept überarbeitet, sagen Polizei und Verein. Foto: dpa

© dpa

Nach Herthas Chaos-Spiel in Düsseldorf: Kann das in Berlin auch passieren?

Ein Berliner Polizeiführer fordert mehr Kontrolle durch die Vereine. Bei Hertha wird für jedes Spiel ein neues Sicherheitskonzept erarbeitet - trotzdem stürmten auch im Olympiastadion schon Fans auf das Spielfeld.

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Auf den Rasen stürmende Menschen, Frauen und Kinder mittendrin, Fußballer in kurzen Hosen neben Polizisten in Kampfanzügen, sichtlich schockierte Fernsehreporter – das sind Bilder, die man so schnell nicht vergisst. Egal wie das DFB-Sportgerichtportgericht über das außer Kontrolle geratene Spiel zwischen Düsseldorf und Hertha BSC entscheidet – für sportbegeisterte Menschen bleibt die Frage: Kann so etwas wieder passieren? Kann es auch hier in Berlin passieren? 

Nein, heißt es bei Hertha und auch bei Union, wo sich niemand vorstellen kann, dass die eigenen Sicherheitsleute untätig blieben, wenn die Zuschauer das Spielfeld fluten würden. „Unsere Ordnungskräfte und gegebenenfalls auch die Polizei würden da viel früher eingreifen“, sagt Hertha-Sprecher Peter Bohmbach.

Die Polizei bestätigt diese Einschätzung. Zwar ist für die Sicherheitsprüfung einer Spielstätte der jeweilige Fußballverband zuständig, die Vereine müssen aber darüber hinaus ein mit Polizei, Feuerwehr und Ordnungsamt abgestimmtes Sicherheitskonzept erstellen.

Vor „sicherheitsrelevanten“ Spielen würden außerdem die polizeilichen Maßnahmen mit denen des Ordnungsdienstes abgestimmt und mögliche Störungszenarien besprochen, sagt Polizeisprecher Volker-Alexander Tönnies: „Wir arbeiten auch sehr eng mit den Sicherheits- und Fanbeauftragten der Vereine zusammen. So findet regelmäßig vor Spielbeginn ein Informationsaustausch zwischen der Polizei, den Beteiligten beider Vereine und des Ordnungsdienstes statt“.

Das Chaos-Spiel in Düsseldorf in Bildern:

Das Eindringen von Fußballfans im Olympiastadion ist durch die baulichen Gegebenheiten ohnehin deutlich schwieriger als in anderen Stadien, wo eine Trennung lediglich durch Zäune erfolgt. Ein knapp knapp drei Meter tiefer Graben grenzt die Zuschauerränge vom Spielfeld ab. Vor der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland im Jahr 2006 hatte die Stiftung Warentest den Graben als unüberwindbares Hindernis im Fall einer Massenpanik eingestuft. Er wurde daraufhin an 20 Stellen durch ausfahrbare Gangways überbrückt.

Am 13. März 2010 drangen nach Ende des Spiels Hertha gegen den Nürnberg Fans nach Spielende in den Innenraum – daraufhin wurde das Konzept des privaten Ordnungsdienstes zur Sicherung des Innenbereiches angepasst. „Das geschieht ständig“, sagt Thomas Herrich, der als Mitglied der Geschäftsleitung für die Sicherheit im Stadion zuständig ist. Er staunt auch darüber, dass – wie mitgereiste Hertha-Fans berichten – die Zuschauer vor dem Spiel in Düsseldorf offenbar kaum auf Bengalos und andere Feuerwerkskörper kontrolliert wurden. „Wir sind da sehr restriktiv“, sagt Herrich: „Wir kontrollieren nicht nur beim Einlass, sondern auch wenn es in die Blocks geht.“ Weil es dennoch auch im Olympiastadion immer wieder zum Abfackeln von bengalischen Feuern kommt, begrüßt er ausdrücklich, dass die Polizei spezielle Sprengstoffspürhunde einsetzt, die durch ihren feine Nasen auch die schon im Vorfeld im und am Stadion deponierte Pyrotechnik entdecken.

Die Berliner Polizei weiß, wann besondere Vorsicht geboten ist.

Weil jeder Gegner anders sei, werde für jedes Spiel mit der Polizei ein spezielles Konzept erarbeitet, sagt Herrich. Durchschnittlich seien 750 Ordner im Stadion. Im Gegensatz zu Düsseldorf stünden auch genügend Polizisten bereit.

Bildergalerie: Aufräumen nach dem Chaos-Spiel

Die Berliner Polizei hat reichlich Erfahrung mit Hochrisikospielen. Vor drei Wochen waren bei der Zweitliga-Begegnung Union gegen Rostock mehr als 2000 Beamte im Einsatz – ein neuer Spitzenwert, wie Einsatzleiter Michael Knape sagte. Bei diesem Spiel rannten nach Schlusspfiff einige Fans auf den Rasen. Knape sagt deutlich, dass er das Spiel abgebrochen hätte, wenn dies während des Spiels passiert wäre. „Wir waren mit massiven Kräften im Stadion“, sagt Knape – anders als in Düsseldorf. Rein rechtlich habe der Schiedsrichter im Stadion nichts mehr zu sagen, wenn „Gefahr im Verzuge ist“, sagte Knape, der auch Professor für Polizeirecht ist. 2011 hat er ein Standardwerk für Polizisten und Juristen geschrieben: „Polizeiliche Eingriffsbefugnisse bei Sportveranstaltungen“.

2006 hatte Knape eine Begegnung zwischen BFC Dynamo und Union in Hohenschönhausen abgebrochen. Der Schiedsrichter wollte damals weiterspielen lassen, erinnert sich der Polizist: „Ich habe Nein gesagt.“ Auch das „chaotische“ Spiel in Düsseldorf „hätte ich als Polizeiführer abgebrochen“, betonte Knape am Sonnabend. Von den Fußballverbänden fordert er energische Maßnahmen gegen Gewalttäter: „Sonst drohen uns italienische Verhältnisse.“ Seit Jahren kritisiert der Einsatzleiter die horrenden Kosten für diese Einsätze. Für die kommende Saison rechnet der Polizeidirektor mit mindestens vier Risikospielen in Berlin: Wenn Union im eigenen Stadion gegen Dresden, Aue, Kaiserslautern und Cottbus antritt. Mit Hertha als Gegner wären es fünf.

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