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Berlin: Nach Karlsruher Urteil: Böger plant Gesetz gegen Kopftücher Alle Parteien bis auf die PDS sind dafür, dass Lehrer keine religiösen Symbole im Unterricht tragen dürfen

Berlin will nicht, dass Lehrerinnen mit Kopftuch in staatlichen Schulen unterrichten. Deshalb wird das Land eine Gesetzesinitiative starten, kündigte Schulsenator Klaus Böger (SPD) gestern nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an.

Von Sabine Beikler

Berlin will nicht, dass Lehrerinnen mit Kopftuch in staatlichen Schulen unterrichten. Deshalb wird das Land eine Gesetzesinitiative starten, kündigte Schulsenator Klaus Böger (SPD) gestern nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an. Böger bezeichnete das Karlsruher Urteil als „weise“, weil dadurch jedes Bundesland in die Pflicht genommen werde, das Tragen von religiösen Symbolen an den Schulen gesetzlich zu regeln. Im vorliegenden Fall in Baden-Württemberg hatten die Verfassungsrichter das Kopftuchverbot aufgehoben, weil es im geltenden Beamten- und Schulrecht von Baden-Württemberg „keine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage“ dafür gebe. Bei der rechtlichen Grundlage, ob muslimischen Lehrerinnen das Tragen des Kopftuchs im Unterricht verboten werden darf, spielte Karlsruhe den Ball zurück an die Länder.

Die Schulverwaltung will in Absprache mit der Innenbehörde einen Gesetzesvorschlag machen. Der Schulsenator kündigte an, in Berlin „umgehend“ zu prüfen, welche gesetzlichen Regelungen notwendig sind, um das „weltanschauliche Neutralitätsgebot“ des Staates zu garantieren. Das Kopftuch sei „ganz offensichtlich“ Ausdruck religiöser Überzeugung und habe bei muslimischen Lehrerinnen an staatlichen Schulen „nichts zu suchen“.

Bisher habe es in Berlin keinen einzigen Antrag von Lehrerinnen gegeben, mit Kopftuch zu unterrichten, sagte Böger-Sprecherin Rita Hermanns. Wie viele Muslima unter den 33 000 Pädagogen seien, konnte die Schulverwaltung nicht sagen; die Lehrer werden nicht nach Konfession registriert.

In der Frage Kopftuch Ja oder Nein äußert sich Carola Freundl, stellvertretende PDS-Fraktionschefin, vorsichtig. Man wolle sich erst einmal den Gesetzesvorschlag Bögers anschauen, weil „sowohl die Neutralität des Staates, aber auch das Recht auf freie Religionsausübung“ gewahrt werden müsse. Kopftücher könnten auch als „Brücke zwischen Kulturen“ gesehen werden. CDU-Rechtsexperte Andreas Gram und FDP-Fraktionschef Martin Lindner fordern einen Gesetzesentwurf schnell vorzulegen: „Wenn kein Kruzifix, dann auch kein Kopftuch“, sagen beide. Die Junge Union verlangte gestern, „umgehend ein Kopftuch-Verbot“ im Schulgesetz zu verankern. Außerdem, so FDP-Fraktionschef Martin Lindner, dürften in der Türkei „Lehrerinnen seit Atatürk auch keine Kopftücher in den Schulen tragen“.

Auch die Grünen sind dafür, das Kopftuch aus der Schule herauszuhalten. Schulexperte Özcan Mutlu kritisiert jedoch die Verfahrensweise des Bundesverfassungsgerichtes. Die Richter hätten nicht den Mut gehabt, das Verhältnis zwischen Religionsfreiheit und staatlicher Neutralität des Staates klarzustellen; sie überließen die Entscheidung „den Gesetzgebern der Bundesländer“, kritisierte Mutlu. Jetzt seien die einzelnen Bundesländer aufgefordert, klare Verhältnisse zu schaffen. Dadurch drohe „Beliebigkeit“. Auch SPD-Fraktionschef Michael Müller hätte sich von Karlsruhe eine „eindeutigere Hilfestellung“ erwartet.

Über die „Kopftuch-Frage“ hat auch der Türkische Bund lange hin- und herdiskutiert. Die liberal eingestellte Interessenvertretung für 23 türkische Vereine konnte sich gestern nicht zu einer Position durchringen. Es gehe nicht um ein Pro und Kontra Kopftuch, sondern um die Abwägung zwischen Neutralität und Religionsfreiheit, die in Zukunft in der Öffentlichkeit „stärker diskutiert“ werden müsse, hieß es. Dass wiederum in der Türkei Kopftücher im Unterricht verboten seien, sei noch kein Grund , das in Deutschland zu verbieten, sagte Celal Altun, Generalsekretär der Türkischen Gemeinde in Berlin. Es sei „wünschenswert, wenn Menschen hier ihre Religionsfreiheit ausüben könnten“. Die konservativ ausgerichtete Türkische Gemeinde vertritt in Berlin 46 Vereine mit rund 35 000 bis 40 000 Mitgliedern.

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