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Nach Neonazi-Attacken: Versicherung lässt linken Jugendtreff im Stich

Zweimal wurde das Haus der „Falken“ in Britz von Neonazis angesteckt, der Schaden belief sich auf 400.000 Euro. Jetzt hat die Versicherung der linken Jugendorganisation gekündigt.

Sie sind nur knapp der Katastrophe entgangen. Zweimal stand im vergangenen Jahr das hölzerne Anton-Schmaus-Haus der Kinder- und Jugendorganisation „Falken“ in Britz in Flammen. Vermutlich stecken Neonazis hinter den Anschlägen. Verletzt wurde niemand, doch die Brände richteten Schäden von fast 400 000 Euro an. Die Falken sammeln jetzt Spenden für einen Zaun, der das Haus schützen soll. Die Versicherung dagegen hat ihnen wegen der Brandanschläge gekündigt.

Wenn sie ans nächste Jahr denkt, ist der ehrenamtlichen Leiterin Mirjam Blumenthal mulmig zumute. Kommt ein weiterer Brandanschlag, müssen die Falken den Schaden selbst zahlen. „Die Generali-Versicherung hat uns zum Jahresende gekündigt“, sagt Blumenthal. Sogar fristgerecht. „Die zwei Brandstiftungsschäden im Abstand von nur fünf Monaten, bei denen die Täter nicht gefasst worden sind, bergen ein nicht kalkulierbares Risiko weiterer ähnlicher Schäden“, teilte die Versicherung dem Tagesspiegel auf Anfrage mit. Wenn bis Jahresende keine neue Versicherung gefunden sei, hätten die Nazis ihr Ziel erreicht, sagt Blumenthal. „Wenn die wissen, dass wir keine Versicherung haben, brennen die uns doch am 2. Januar nieder.“ Das könnte das Ende der Jugendarbeit in dem Holzhaus, einem Kinder- und Jugendzentrum der „Sozialistischen Jugend Deutschlands“, sein.

Das Gebäude ist frisch renoviert und seit Mai wieder geöffnet. „Man riecht noch, dass es hier gebrannt hat“, sagt Blumenthal. Zuerst im Juni 2011, dann am 9. November, dem Jahrestag der Reichspogromnacht. Nur kurz vorher übernachteten Kinder und Israelis im Haus. Die Falken und auch das Landeskriminalamt vermuten Neonazis hinter den Attacken. Racheakte nach Angriffen auf NPD-Politiker, so wurde spekuliert. Dabei betonten die Falken immer, nicht in die Kämpfe zwischen Linken und Rechten mit hineingezogen werden zu wollen.

"Wir werden bedroht und verfolgt!"

Die Falken wollen sich nun mit einem 190 Meter langen Zaun schützen. Für die Kosten von 100 000 Euro sind sie auf Spenden angewiesen. Prominente wie der Sänger Konstantin Wecker, der Liedermacher Reinhard Mey, Abgeordnetenhaus-Präsident Ralf Wieland sowie Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste, haben bereits geholfen. „Die haben sofort zugesagt“, sagt Blumenthal.

Längst fürchten sich die Betreuer, wenn sie ihre Wohnungen verlassen. „Wir bekommen Briefe nach Hause geschickt, werden bedroht und verfolgt“, sagt Blumenthal. Nach den Bränden befürchtet sie Attacken auf sich und ihre Mitarbeiter. Ihr Name stehe auf einschlägigen Webseiten von Neonazis wie der Gruppe „Nationaler Widerstand“.

„Britz Süd ist ein Schwerpunktgebiet rechtsextremer Aktionen“, sagt Matthias Müller von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. Die Falken seien schon Ende der achtziger Jahre von Rechtsextremen attackiert worden. Die Betroffenen dürften nicht alleine gelassen werden, die Polizei müsse vermehrt Streife fahren. Mit ihr sind die Falken in engem Kontakt. Als das Haus am 1. Mai wiedereröffnet wurde, beschützten Beamte das Fest. Die Polizei schätzt Rudow „als Aktionsraum von Personen der rechten Szene“ ein, sagte ein Sprecher. „Daher war und ist der Ortsteil einer der Schwerpunkte polizeilicher Tätigkeiten.“ Die Unterstützung der Politik aber vermisst Blumenthal. Immerhin: Offenbar will der Bezirk Neukölln 30 000 Euro für den Zaun geben. Gerade erst bekamen die Falken und das Bündnis Neukölln das „Band für Mut und Verständigung“ verliehen. Der Preis bedeutet eine Ermutigung für Blumenthal und ihre Mitarbeiter.

Weiteres unter

www.bollwerk-gegen-nazis.de

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