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Als Fraktionschef am Ende: Volker Ratzmann.

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Update

Nach Ratzmanns Rücktritt: Machtfrage bei den Grünen ist offen

Wer folgt auf Ratzmann? Die Chancen von Linken-Wortführer Dirk Behrendt auf einen Posten an der Spitze werden durch seine private Beziehung zu Landeschef Daniel Wesener gemindert.

Von Sabine Beikler

Nur zwei Büros liegen zwischen den Zimmern mit der Nummer 476 und 485. Im Raum 476 des Abgeordnetenhauses arbeitet Dirk Behrendt, in 485 Volker Ratzmann. Doch seit Wochen funktionierte noch nicht einmal mehr "Flurfunk" zwischen dem Parteilinken Behrendt und dem Realpolitiker Ratzmann. Seit dem Scheitern von Rot-Grün tobt zwischen den zwei Grünen ein Machtkampf um Posten und Positionen. Jetzt hat Ratzmann die Konsequenzen gezogen: Vor seiner Fraktion erklärte der 51-jährige Jurist am Dienstagnachmittag seinen Rücktritt. Die 29-köpfige Fraktion wurde von dem Rücktritt völlig überrascht.

Der Entschluss sei bei ihm am Wochenende gereift, sagte Ratzmann anschließend. Ein Rücktritt sei nicht von den beiden Mediatoren, die zwischen den Parteiflügeln vermitteln sollen, angeregt worden. Sowohl in Hinblick auf den Wahlkampf als auch auf die schnelle Wahl des Fraktionsvorsitzes gab Ratzmann zu, auch selber Fehler gemacht zu haben. Schwere Vorwürfe erhob er in Richtung von Behrendt und den anderen Parteilinken Canan Bayram, Turgut Altug und Susanna Kahlefeld. Alle vier seien nicht geeignet für Führungspositionen im Landesverband und der Fraktion: Ihr Verhalten nach der Kritik an der Wahl zum Fraktionsvorsitzenden sei zutiefst unpolitisch gewesen: „Das habe ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können, dass Mandatsträger eine demokratische Wahl nicht akzeptieren.“

Fraktionschefin Ramona Pop, die weiter im Amt bleiben wird, kommentierte den Rücktritt Ratzmanns mit folgenden Worten: „Es ist ein großer honoriger Schritt. Volker Ratzmann hat viel für die Fraktion geleistet. Jetzt macht er den Weg frei für die Klärung der inhaltlichen und personellen Fragen.“ Dirk Behrendt wollte sich nach der Fraktionssitzung nicht öffentlich äußern. Für die Parteilinken sprach die Kreuzberger Abgeordnete Heidi Kosche: „Wir respektieren die Entscheidung Ratzmanns.“ Man wolle jetzt zusammen nach einer Lösung suchen. Die Linken würden aber nach wie vor einen Sitz in der Fraktionsspitze beanspruchen.
Inoffiziell hat man sich wohl schon darauf geeinigt, dass es wieder eine Doppelspitze geben wird – allerdings nicht mit Behrendt oder Bayram von den Parteilinken an der Spitze. Es gibt zudem eine persönliche Beziehung, die einer Wahl Behrendts nicht förderlich ist: Behrendt ist mit Parteichef Daniel Wesener liiert. Beide stammen aus dem Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg. Auch wenn die Grünen die Trennung von Amt und Mandat hochhalten, wäre diese Kombination ein zu starkes Machtduo. Offiziell sagt das in der Partei keiner.
Statt Behrendt werden als Kompromisskandidaten Heiko Thomas, bisher auch Kandidat für das Amt des parlamentarischen Geschäftsführers, der Verwaltungsrechtler Thomas Birk und der frühere Landeschef und Neu-Parlamentarier Stefan Gelbhaar gehandelt. Die Grünen wollen auf einer Sondersitzung am Freitag über das weitere Vorgehen sprechen. Ende November ist eine Fraktionsklausur geplant.
Vor rund drei Wochen siegte Pop im ersten Wahlgang gegen Canan Bayram, Ratzmann denkbar knapp gegen Behrendt erst im zweiten Wahlgang. Die Parteilinke beanspruchte einen der beiden Vorstandsposten. Sie fühlte sich durch die Wahl von Ratzmann und Pop in der Fraktion nicht mehr eingebunden und forderte einen Tag nach der Wahl die beiden Fraktionschefs auf, auf einen der beiden Vorstandsposten zu verzichten. Das lehnten die beiden Grünen-Politiker damals ab. Die Fraktion verständigte sich darauf, dass zwei Mediatoren zwischen den zerstrittenen Flügeln vermitteln sollten: die Ex-Bundestagsabgeordnete Michaele Hustedt und der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland. Ungeachtet des Rücktritts laufen die Gespräche mit den Mediatoren bis Ende November weiter.
In den Kreisverbänden läuft derweil die Wahlkampfauswertung. Die Kritik in der Partei soll am Mittwochabend auf einem Landesausschuss im Beisein der Ex-Spitzenkandidatin Renate Künast geäußert werden.

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