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Der Fraktionsvorsitzende Raed Saleh (SPD) in der Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses am 12. Januar in Berlin.

© dpa/Jörg Carstensen

Update

Nach Rede im Berliner Abgeordnetenhaus: "Mit Augenmaß in den Rücken gefallen" - Landesvorstand tagt in schlechter Stimmung

SPD-Fraktionschef Raed Saleh hatte gegen den Kurs der neuen Koalition gewettert. Nach der Schelte von sechs Kreisvorsitzenden fiel auch am Abend im Landesvorstand kaum ein gutes Wort zur aktuellen Situation.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Stimmung sei „unterirdisch“ gewesen, sagt ein Genosse, der am Montagabend an der SPD-Landesvorstandssitzung teilnahm. Es gab dutzende Redebeiträge, doch kaum jemand habe für die aktuelle Situation ein gutes Wort gefunden. Ein anderer SPD-Mann nimmt es mit Humor: „Kriegsähnliche Zustände blieben aus.“ Aber es sei im Vorstand selten so intensiv diskutiert worden wie dieses Mal, sagt ein anderer Funktionär.

Nicht ohne Grund. Das Führungsgremium der Berliner SPD musste am Montag die schwere Krise in der Koalition aufarbeiten und hielt Nabelschau. Denn auch die Berliner SPD ist in keinem guten Zustand. „Die Lage ist ernst in der Partei“, fasste der Regierende Bürgermeister und SPD-Landeschef Michael Müller kurz vor dem Ende der Vorstandssitzung zusammen. Auch der schwelende Machtkampf zwischen ihm und dem SPD-Fraktionschef Raed Saleh trägt dazu bei, dass es nicht besser wird. Die noch nicht ausgestandene Koalitionskrise verschärft zusätzlich die innerparteiliche Lage.

Gegenseitige Schuldzuweisungen gehören dabei zum Geschäft. Wobei sich die konträren Positionen nicht mehr an den traditionellen Parteiflügeln orientieren, sondern quer durch die Partei gehen. Das gilt auch für die Rede Salehs am vergangenen Donnerstag im Abgeordnetenhaus, mit der er die Regierungserklärung Müllers in den Schatten stellte und zur inneren Sicherheit und Integrationspolitik eine Art Gegenprogramm entwarf.

"Wir erwarten von Dir einen solidarischen Umgang"

Zunächst hieß es, der Überraschungsangriff sei in der SPD-Fraktion und an der Parteibasis gut angekommen. Doch in der Nacht zum Montag verschickten sechs SPD-Kreischefs einen Brief an Saleh, in dem sie ihm vorwerfen, er sei der Senatslinie einer „Sicherheitspolitik mit Augenmaß“ in den Rücken gefallen und habe sich in der Wortwahl vergriffen. Dabei habe Saleh in der Senatsklausur vor einer Woche dem dort beschlossenen Sicherheitspaket intern nicht widersprochen. „Wir erwarten von Dir, dass Du Dich in den Gremien von Partei und Fraktion frühzeitig einbringst. Wir erwarten von Dir einen solidarischen Umgang“, forderten die Kreischefs aus Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg, Lichtenberg, Mitte, Tempelhof-Schöneberg und Treptow-Köpenick. Sie kreiden ihm auch an, dass er sich für mehr Videoüberwachung eingesetzt hat.

Saleh sah am Montag keinen Grund, irgendetwas zurückzunehmen. Im Gegenteil: „Ich wünsche mir eine noch viel breitere Diskussion um die innere Sicherheit“, sagte er am Rand der Vorstandssitzung. Doch Müller kritisierte den Fraktionschef im Landesvorstand scharf. Er habe dessen Rede als „Grundsatzkritik“ verstanden. Was den Stil und das Timing der Rede betrifft, bekam Müller im Vorstand breite Rückendeckung. Gleichzeitig wurden Müller und Saleh aufgefordert, sich künftig besser abzustimmen.

Die sechs Unterzeichner des Briefs an Saleh bekommen jetzt allerdings Ärger, denn das Schreiben war mit den jeweiligen Kreisvorständen in den meisten Fällen nicht abgestimmt. Nun „rumort es“ in den entsprechenden SPD-Bezirksgremien, heißt es parteiintern. Von der Forderung nach Sondersitzungen der Kreisvorstände ist die Rede. Und spöttisch sagen Unterstützer Salehs, dass es sich um eine „Initiative der Gesundheitsverwaltung“ handele. Gemeint sind die Gesundheitssenatorin Dilek Kolat und ihr Staatssekretär Boris Velter, die auch SPD-Kreischefs von Tempelhof-Schöneberg (Heimatbezirk Müllers) und von Mitte sind.

Saleh sollte sich fragen, ob ihm der Applaus der vielen Gegner von R2G wirklich Freude macht. Auch wenn er seinen Ehrgeiz, Regierender Bürgermeister zu werden, kaum zurückhalten kann - der Ton, den er gegen die eigenen Leuten angeschlagen hat, ist die Garantie dafür, dass er es nie wird.

schreibt NutzerIn 2010ff

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