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Berlin: Nach Schelte der Senatorin: Richter geben Contra

Kritik zurückgewiesen, dass Urteile gegen kriminelle ausländische Jugendliche zu milde ausfallen. CDU unterstützt Schubert

Solche Fälle entzweien selbst die Berliner Richterschaft: „Ich stech’ dich ab“, hatte der 16-jährige Belan G. (Name geändert) seinem Schulleiter gedroht und ihn als „Missgeburt“ beschimpft. Vor Gericht kam der Ex-Schüler der Gustav-Heinemann-Gesamtschule am vergangenen Freitag aber mit einer Ermahnung davon. „Mach’ das nicht wieder“, sagte der Richter. Das Strafverfahren wurde eingestellt.

Nicht nur vom Schulleiter, auch von vielen Jugendrichtern wird das milde Urteil als „schwer nachvollziehbar“ bezeichnet. Die Kritik von Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) weist die Richterschaft aber als „undifferenziert“ und „sachlich falsch“ zurück. Schubert hatte in einem Tagesspiegel-Interview beklagt, dass die Gerichte im Umgang mit kriminellen Jugendlichen aus Einwandererfamilien zu lange auf Milde gesetzt hätten. Viele Richter nutzten ihre Möglichkeiten nicht, sondern setzten auf das Prinzip Hoffnung. „Zwischen den Möglichkeiten und deren Umsetzung klafft eine Distanz, dass einem angst werden kann.“ In Sachen Integration habe hierzulande inzwischen ein überfälliger Bewusstseinswandel eingesetzt, sagte Schubert. Richter, die solche „gesellschaftlichen Realitäten“ nicht berücksichtigen, will die Senatorin künftig in die Fortbildung schicken.

„Das ist schon ein bisschen ulkig“, sagt Peter Faust vom Berliner Richterbund. Tatsächlich seien die Fortbildungen an der Richterakademie schon jetzt heiß begehrt; die Wartezeit liege bei rund zwei Jahren. Die Frage, ob man auf jugendliche Straftäter eher pädagogisch-mild oder konsequent streng reagieren sollte, entzweit die Jugendrichter. Alle bezweifeln aber, dass Seminare zu härteren Urteilen führen könnten. „Da geht es nicht um mangelnde Bildung, sondern um grundsätzliche Einstellungen“, sagt Jugendrichter Kai Dieckmann. Der besagte Bewusstseinswandel habe auch in der Richterschaft, selbst unter den älteren Kollegen, inzwischen sehr wohl eingesetzt.

Schuberts Forderung nach einem schärferen Vorgehen gegen ausländische Straftäter trifft bei der CDU-Fraktion auf Zustimmung. Allerdings kann sich Rechtsexperte Andreas Gram nicht vorstellen, dass Schubert dabei Rückhalt in der eigenen Partei habe. Nach Grams Auffassung geht es nicht darum, Versäumnisse der Richter zu suchen. Vielmehr brauche man Änderungen im Strafrecht, indem beispielsweise die Spielräume im Strafrahmen enger gefasst werden. Gram will den Senat auffordern, über eine Bundesratsinitiative aktiv zu werden. Christoph Meyer, FDP-Justizexperte, sagte, Teile der Richterschaft müssten ein neues Bewusstsein dafür entwickeln, dass man mit dem hergebrachten Verständnis von Jugendrecht bei bestimmten Tätergruppen nicht weiterkomme. Es sei ein Weg in die richtige Richtung, dass man bei der Staatsanwaltschaft eine Gruppe eingesetzt habe, die sich um die jugendlichen Intensivtäter kümmert – was auch unter den Anklägern und Jugendrichtern als unumstritten gilt. Für die Bündnisgrünen sagte Özcan Mutlu, er habe nicht den Eindruck, dass die Richter bei ausländischen Straftätern zu milde urteilten. Lösungen müssten viel früher ansetzen: „Wir haben es als Gesellschaft nicht geschafft, ihnen gleiche Chancen zu geben.“ Diese Meinung vertritt auch Marion Seelig (PDS). Mit Repression und Sanktionen sei es nicht getan.

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