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Berlin: Nach Tötungsfällen: Charité verschärft interne Kontrollen

Am Mittwoch beginnt der Prozess gegen mordverdächtige Krankenschwester

Im Nachhinein ist man immer klüger. Und getreu diesem Motto wird man bei dem am Mittwoch beginnenden Prozess gegen die ehemalige Charité-Krankenschwester Irene B., die mindestens fünf schwer kranke Patienten getötet haben soll, sicher auch die Frage stellen: Hätte man dies verhindern können?

„Kriminelle Energie“, sagt Charité-Chef Detlev Ganten, ließe sich in keinem Unternehmen verhindern. Aber man könne solche Taten erschweren – auch wenn es eigentlich mehr darum gehe, Fehler zu vermeiden, die in einem Krankenhaus eine Sache von Leben und Tod seien. Deshalb hat das Universitätsklinikum seit Bekanntwerden der Vorwürfe gegen die Schwester die Vorgaben für das interne Qualitätsmanagement verändert, zum Teil verschärft. So soll es in vielen Abteilungen künftig regelmäßige Mortalitätskonferenzen geben, bei denen jeder einzelne Todesfall analysiert wird – unter Beteiligung von Medizinerkollegen aus anderen Abteilungen. Bisher war dies nur auf Intensivstationen der Fall, nun kommen die Rettungsstellen und Chirurgien hinzu. Die Patientensterblichkeit – die in einem Krankenhaus dazugehört – soll darüber hinaus mit den Bundesdurchschnittszahlen für die jeweilige Patientengruppe verglichen werden, um so auffällige Häufungen zu entdecken.

Außerdem will das Klinikum die Zahl der Obduktionen von verstorbenen Patienten erhöhen. Bisher werde jeder fünfte in der Charité Verstorbene seziert, jährlich also rund 430 bis 450 Tote. Diese Zahl sei im Vergleich zu anderen Kliniken zwar schon sehr hoch, aber noch ausbaufähig, sagte Ulrich Frei, Ärztlicher Direktor der Charité, am Freitag bei einem Pressegespräch. Aber um das zu erreichen, sei viel Überzeugungsarbeit bei den Angehörigen nötig, die einer Obduktion zustimmen müssten.

Herzstück der neuen Strategie ist jedoch die Ausweitung des internen Meldesystems für sogenannte Beinahe-Zwischenfälle – CIRS genannt. Dieses System orientiert sich an bestehenden Standards in der Luftfahrt. Insgesamt rund ein Drittel der Charité-Abteilungen nutzt dieses System bereits seit Jahren – nun soll es klinikumsweit zur Anwendung kommen. Dabei können Mitarbeiter anonym auf elektronischem Wege Auffälligkeiten oder Zwischenfälle melden, die sie beobachtet haben. Ohne zu riskieren, dass ihr Team sie als „Nestbeschmutzer“ aussondert und auch ohne Strafen fürchten zu müssen. Aus diesen Meldungen – zum Beispiel über beinahe verwechselte Arzneien, deren Verpackungen sich sehr ähnlich sehen – sollen dann Konsequenzen gezogen werden.

Die Abteilung, in der Irene B. im vergangenen Jahr Patienten mit einer Überdosis von Medikamenten getötet haben soll – die kardiologische Intensivstation in Mitte –, hatte übrigens damals keinen Anschluss an das CIRS.

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