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Die Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid stellte am Dienstag den Bericht für 2010 vor.

© dpa

Nach wie vor Terrorwarnung für Berlin: Verfassungsschutz warnt vor islamfeindlichen Tendenzen

Der Verfassungsschutzbericht für 2010 schätzt die Gefahr eines Terroranschlags weiter hoch ein. Die rechtsextreme Szene profitiert vom islamfeindlichen Klima. Im linken Spektrum beschäftigt man sich offenbar lieber mit sich selbst.

Von Frank Jansen

Die Aktivitäten der islamistischen Terrorszene bereiten Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und dem Verfassungsschutz weiterhin größere Sorgen. „Wir haben nach wie vor eine hohe Gefährdung“, sagte Körting am Dienstag bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2010. Der Senator betonte, die im November vom damaligen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ausgesprochene Warnung vor Anschlägen sei berechtigt gewesen, auch wenn ein Angriff ausblieb. De Maizière hatte Hinweise erhalten, dass Terroristen eine Attacke auf den Reichstag planen. Das Gebäude muss nach Ansicht Körtings auch jetzt noch besonders gesichert werden. Es werde darüber nachgedacht, „wie man die Besucherströme besser handhaben kann“, sagte der Senator und sprach von „zwei, drei“ Kontrollstellen.

Die Chefin des Verfassungsschutzes, Claudia Schmid, verwies zudem auf die Reisen Berliner Islamisten zum pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet, wo Al Qaida und Verbündete Ausbildungslager betreiben. Anfang 2011 war außerdem bekannt geworden, dass in der Region der Berliner Fatih T. die Gruppierung „Deutsche Taliban Mudschahedin“ führt.

Das Spektrum der gewaltorientierten Islamisten in Berlin schätzt der Verfassungsschutz auf 450 Personen (2009: 410). Der Zuwachs geht zum Teil auf das Konto der libanesischen Hisbollah. Allerdings sei die Organisation nicht wirklich gewachsen, sondern der Verfassungsschutz haben inzwischen „bessere Einblicke“, sagte Schmid.

Die Radikalisierung von Muslimen betreiben vor allem die Salafisten. Sie fordern eine streng korantreue Lebensweise. Vor den Weihnachtsfeiertagen hatte die Ankündigung salafistischer „Islam-Seminare“ in einer Berliner Moschee Aufsehen erregt. Die Veranstaltung wurde abgesagt, doch jetzt steht ein Seminar in einer Spandauer Moschee bevor. Die Szene der „legalistischen“ Islamisten blieb unverändert (3000 Personen). Größte Organisation bleibt die „Islamische Gemeinschaft Milli Görüs“.

Von der Islamfeindlichkeit in Teilen der Bevölkerung will die NPD profitieren. Die rechtsextreme Partei sei jetzt mit einer Postkartenaktion „auf das Thema Islam gesprungen“, sagte Schmid. Damit wolle sie bürgerliche Wähler gewinnen. Andererseits sei die NPD im Wahlkampf auf die Hilfe der „Autonomen Nationalisten“ angewiesen, eines besonders aggressiven Milieus in der Neonazi-Szene. Das rechtsextreme „Personenpotenzial“ nahm laut Verfassungsschutz ab (2010: 1510, 2009: 1670). Eine Ursache war der Niedergang der DVU. Der NPD habe die bislang rechtlich unwirksame Fusion mit der DVU nicht genutzt, sagte Schmid.

Über die rechtspopulistische Pro-Bewegung äußert sich der Verfassungsschutz im Bericht weniger scharf als die Kollegen in Nordrhein-Westfalen, dennoch ist die Bewertung der islamfeindlichen Umtriebe eindeutig. So wird dem kürzlich vom Vorsitz des Berliner Verbandes von „Pro Deutschland“ zurückgetretenen Schweden Patrik Brinkmann bescheinigt, aus einer rechtsextremen Organisation zu stammen und Verbindungen zu NPD und DVU unterhalten zu haben. Der Verfassungsschutz warnt sogar generell vor einem islamfeindlichen Klima.

Das Spektrum der Linksextremisten blieb nahezu konstant (2260 Personen nach 2200, darunter wie im Vorjahr 1100 Autonome und andere Gewaltbereite). Der parallel zu beobachtende, deutliche Rückgang der Gewalttaten, vor allem der Autozündeleien, ist nach Ansicht des Verfassungsschutzes auf einen selbstkritischen Diskussionsprozess in der Szene zurückzuführen. Dennoch werde im aktionsorientierten Spektrum weiter überwiegend Gewalt befürwortet, verstärkt aber auch die Suche nach themenbezogenen Bündnissen mit bürgerlichen Organisationen.

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