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Berlin: Nachama fürchtet „Reichsgedenkstättenhauptamt“

Am Dienstag wird wieder über die Bundesstiftung für NS-Erinnerungsorte debattiert. Der Topographie-Chef warnt vor Zentralismus

Von Sabine Beikler

Die Diskussion über die geplante Bundesstiftung für die vier großen Berliner Gedenkstätten zum nationalsozialistischen Terror geht in die nächste Runde: Der Bund hat nach heftiger Kritik der Einrichtungen, die um ihre Unabhängigkeit fürchteten, sein Konzept überarbeitet. „Die vier Einrichtungen werden ihre relative Autonomie behalten“ und „kooperativ und inhaltlich sinnvoll koordiniert“ die Geschichte der NS-Gewaltherrschaft darstellen, steht in dem Eckpunkte-Papier aus dem Haus von Kulturstaatsministerin Christina Weiss, das dem Tagesspiegel vorliegt.

Die Stiftungen Topographie des Terrors, Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Gedenkstätte Deutscher Widerstand und Haus der Wannsee-Konferenz sollen unter dem Dach der neuen „Stiftung Dokumentation der NS-Verbrechen“ zusammengeführt werden. Die Leiter der Gedenkstätten werden dem Stiftungsvorstand angehören und alle Entscheidungen mit abstimmen. Am Dienstag wird Ministerialdirektor Knut Nevermann, der Stellvertreter von Weiss, das Papier den Stiftungsdirektoren bei einem Fachkolloquium im Martin-Gropius-Bau vorstellen.

Bei der ersten Anhörung Anfang März zweifelte Andreas Nachama, Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, noch an dem Sinn einer „One-Stop-Agency“ zur Erinnerung an Opfer und Täter der NS-Diktatur. Inzwischen hat er sich mit dem Gedanken einer Bundesstiftung angefreundet. Eine Zusammenarbeit unter den vier Berliner Gedenkstätten könne aber nur funktionieren, wenn „alle Stiftungen inhaltlich unabhängig arbeiten können“. Die Bundesstiftung müsse auf jeden Fall ein „gläsernes Dach“ haben. „Wenn nicht, besteht die Gefahr, ein Reichsgedenkstättenhauptamt aufzubauen“, sagte Nachama.

Berlins Nachbarland wurde in die Planungen nicht einbezogen. Günter Morsch, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, lehnt die Bundesstiftung nicht ab, fordert aber eine „Mitbeteiligung anderer Länder“. Die Stiftung müsse „offen bleiben für andere NS-Gedenkstätten“, sagte Alice Ströver (Grüne), Kulturausschuss-Vorsitzende im Abgeordnetenhaus. Das aber sieht der Bund nicht vor: Er unterstreicht die besondere Situation Berlins mit all den historischen Stätten. „Berlin gilt als sichtbares Symbol für die deutsche Nation und ihre Geschichte – mit allen Licht- und Schattenseiten“, ist im Konzept zu lesen.

Am Finanzierungsmodus der vier NS-Gedenkstätten wird sich zunächst nichts ändern: Bund und Berlin teilen sich weiterhin die Kosten. Für die Unterhaltung der Topographie-Stiftung zum Beispiel übernehmen Land und Bund je die Hälfte der jährlichen Kosten von 1,6 Millionen Euro. Nur die Errichtung des Holocaust-Mahnmals hat der Bund mit 50 Millionen Euro vollständig finanziert.

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