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Steinerne Kunst ziert den Glienicker Seeuferweg.

© Promo

Nachbarschaftsprojekt am Groß Glienicker See: Am Uferweg sind Ideen in Stein gemeißelt

Am Groß Glienicker See entstand ein ungewöhnliches Kunstprojekt: Anwohner gestalteten mit Bildhauerin Birgit Cauer drei Sandsteinblöcke.

Friedlich ruhen drei sandfarbene Steine am Groß Glienicker See. Eingemeißelt in die Steine sind Figuren, Tore, Häuser, Wellen. Im Sommer hat die Bildhauerin Birgit Cauer mehrere Wochen mit vielen anderen in Groß Glienicke an den Steinen gemeißelt. Zuvor war sie nach Thüst bei Hildesheim gefahren, hatte große Brocken in einem Steinbruchbetrieb ausgewählt und nach Groß Glienicke transportieren lassen. Dort lagen die Steine eine Weile auf dem Rasen vor dem Gemeinschaftshaus. Jetzt können Spaziergänger die fertigen Kunstwerke bestaunen.

Dabei war Cauer, die ein Atelier im Atelierhaus Panzerhalle nutzt, zunächst skeptisch, ob das, was sie da vorhatte, wirklich gelingen würde. Denn sie wollte keine Monumentalskulptur aus den Steinen schlagen und dann als Kunstwerk am See positionieren, sondern zusammen mit den Dorfbewohnern ein Gemeinschaftsprojekt schaffen. „Die Leute sollten zusammenkommen und gemeinsam arbeiten“, sagt Cauer. Das ist gelungen.

Streit am Ufer

Der Ort dieses Gemeinschaftsprojekts ist ein besonderer. Um das Ufer des Sees in Groß Glienicke gibt es einen Streit. Einige Teile des Seeufers sind frei begehbar – aber nicht alle. Weil dort der Weg über Grundstücke reicht, die bis unmittelbar ans Seeufer führen. Es ist das gleiche Problem wie etwa am Griebnitzsee: ein Streit zwischen Grundstückseigentümern und Spaziergängern, der Kommunalbehörden und Gerichte beschäftigt.

„Wir würden hier gerne einen vollständigen Uferweg und einen Skulpturenpfad um den See einrichten“, sagt Anita Bardeleben, die auch an dem Projekt mitgearbeitet hat. Mit dem Uferweg könnte noch eine Besonderheit des Sees deutlicher gemacht werden: Mitten durch den See verlief die Grenze des heute vereinten Staates. Vielleicht, sagt Anita Bardeleben, seien die Steine ja ein Beginn für einen solchen Pfad, der die Geschichte des Sees erklären könnte. Für den vollständigen Weg fehle derzeit das Geld.

Nicht alle Groß Glienicker wohnten schon immer in dem Ort, viele sind nach dem Mauerfall dorthin gezogen. In den vergangenen Jahren sind zudem noch einige neue Bewohner in den Ort gezogen: die Flüchtlinge. Die Kunst sollte in die Gemeinschaft des Dorfes hinein wirken, Bewohner und Flüchtlinge sollten einbezogen werden. „Wir haben zunächst einmal einen Ideenwettbewerb gestartet“, sagt die Initiatorin Birgit Cauer.

"Geschichte ist sperrig und eckig"

An mehreren Abenden seien viele zusammengekommen, die an dem Projekt mitarbeiten wollten. Jeder hatte eigene Ideen, die er im Stein entwickeln wollte. Etwa 20 Personen arbeiteten schließlich mit, von zehn bis 60 reichte das Alter. Manche hatten schon mit dem Material gearbeitet, für andere war es eine neue Erfahrung.

Zunächst entstand eine große Idee: Die drei Blöcke sollen die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft verkörpern. „Geschichte ist sperrig und eckig“ sagt Anita Bardeleben. So sollte auch der Stein sein. Aber dann kam es doch anders. Als immer mehr Menschen sich für das Projekt interessierten und ihre Ideen einbrachten, zeigte sich, dass es wichtiger ist, die vielen Gedanken und Ideen zusammenzubringen.

„Das war ein ganz intensiver Lernprozess. Wie komme ich mit dem anderen aus, wie lasse ich das, was er geschaffen hat, zu und verbinde es mit meinen eigenen Sachen? Daran haben alle gearbeitet“, erinnert sich Cauer. Einer der Steine mutet an wie ein großer Vogel. „Das sah zuerst aus wie ein Geier, aber dann haben wir überlegt und wollten doch lieber einen Vogel, der lustiger und friedlicher ist“, sagt sie.

Jede der Figuren ist von den Steinbildhauern gemeinsam ausgehandelt worden. „Für die meisten war es eine ganz neue Erfahrung. Sie haben sich da sehr hineingekniet“, sagt die Bildhauerin. Für eine kleine Quietscheente, die auch in den Stein gemeißelt ist, habe eine der Beteiligten umfangreich im Internet recherchiert, verschiedene Ausdrucke mit der Projektleiterin diskutiert, um sie dann schließlich im Stein zu verwirklichen. Auch Missverständnisse gab es: Plötzlich war die Kuppe des Steins abgeschlagen, obwohl sie erhalten bleiben sollte. „Damit mussten wir dann umgehen“, sagt Cauer.

Sie würde das Projekt gerne fortführen. Entweder am See oder am Atelierhaus Panzerhalle, in dessen Gebäude auch Flüchtlinge untergebracht sind. Die positiven Erfahrungen, die Cauer in Groß Glienicke gemacht hat, würden sich gut für das Areal eignen, in dem die Künstler der Panzerhalle Ateliers gefunden haben. Denn einerseits sind dort auch die aus aller Welt nach Potsdam Geflüchteten untergebracht, andererseits ist unmittelbar dort eine Neubausiedlung entstanden, die größtenteils aus Einfamilienhäusern besteht.

Was um die Panzerhalle herum noch fehlt, ist eine lebendige Sozialstruktur. Birgit Cauer findet, ihr Projekt würde sich dazu gut eignen. Die Häuslebauer, die Flüchtlinge und die Künstler, alle könnten dann auch dort gemeinsam ihre Ideen in Stein meißeln.

Richard Rabensaat

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