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Michael Müller, 49,  ist Bürgermeister und Senator für Stadtentwicklung.

© Mike Wolff

Nachfolge von Klaus Wowereit: Michael Müller: "Berlin muss eine Stadt der Arbeit werden"

Stadtentwicklungssenator Michael Müller spricht mit dem Tagesspiegel über den Dreikampf ums Rote Rathaus, seine Niederlagen als Senator, die Ziele als Regierender – und seine Schwäche.

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Am heutigen Dienstag findet im Willy-Brandt-Haus das erste Mitgliederforum der Berliner SPD statt, auf dem sich die Kandidaten für das Amt des Regierenden Bürgermeisters, Michael Müller, Raed Saleh und Jan Stöß, vorstellen. Wir bloggen live von der Veranstaltung. In den vergangenen Wochen konnten Sie bereits lesen, was Raed Saleh und Jan Stöß im Tagesspiegel sagten, hier erfahren Sie, was Stadtentwicklungssenator Michael Müller auf die Fragen des Tagesspiegels geantwortet hat.

Herr Müller, ist Ihre Kandidatur für das Amt des Regierenden Bürgermeisters eine späte Rache, zwei Jahre nach der Abwahl als SPD-Landeschef?

Natürlich nicht! Keine Rache, kein Groll, keine offene Rechnung. Ich schaue nicht nach hinten, es geht mit meiner Kandidatur um die Zukunft – die von Berlin.

Wie ist Ihr Verhältnis zu den Konkurrenten, dem SPD-Landeschef Stöß und dem Fraktionschef Saleh?

Mit dem Fraktionschef arbeite ich als Senator naturgemäß eng zusammen. Auch mit dem Parteichef gibt es Treffen, Telefonate und Gespräche. Alles unproblematisch.

Die SPD sollte Ihre Mitglieder also öfter befragen, dann haben sich alle lieb?

Natürlich gibt es Konkurrenzen. Jeder will gewinnen, jeder hat ein eigenes Profil. Aber wir sind alle Sozialdemokraten und gehen vernünftig miteinander um.

Waren Sie überrascht, dass Saleh und Stöß gleich nach der Rücktrittsankündigung Wowereits ihre Kandidatur anmeldeten?

Das muss jeder für sich entscheiden. Mir war es wichtig, Zeit zum Nachdenken zu haben und mit Freunden, der Familie und Weggefährten zu sprechen. Und ich glaube, es war gegenüber Klaus Wowereit angemessen, den Rücktritt erst so stehen zu lassen. Schließlich ist das ein großer Einschnitt für die SPD und für Berlin, nach 13 Jahren erfolgreicher Regierungsarbeit.

Lange Zeit galten Sie als Kronprinz des Regierenden Bürgermeisters.

Ich kann mit dieser Kategorie wenig anfangen, die SPD ist kein Erbhof. Mögliche Nachfolger des Regierungschefs ergeben sich ja auch aus den Funktionen, wie Fraktions- und Landeschef oder Senator.

Mit der Abwahl als SPD-Landeschefs war es mit der Kronprinzenrolle vorbei. Hatten Sie danach die Hoffnung aufgegeben?

Ach, wissen Sie, mir ging es nie nur um das nächste Amt, das man dringend erobern muss. Ich war und bin sehr aktiv in der Berliner Politik und habe auch als Stadtentwicklungssenator erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten. Als sich Klaus Wowereit zum Rücktritt entschloss, habe ich mir die Frage gestellt: Was kann ich für die SPD, aber vor allem für Berlin einbringen? Mir geht es um das, was ich politisch bewegen kann und will.

"Ich will, dass Berlin lebenswert bleibt"

Was wollen Sie denn durchsetzen als Regierender Bürgermeister?

Als Senator für Stadtentwicklung habe ich mich gleich nach Amtsantritt an die großen Zukunftsherausforderungen Berlins gemacht – das sind die Themen für morgen: Mehr Wohnungsbau und Mieterschutz, der solidarische Ausgleich in einer wachsenden Stadt. Eine nachhaltige und dezentrale Energiepolitik, die Förderung von Arbeitsplätzen durch moderne Industrien, wie in Tegel. Berlin muss auch eine Stadt der Arbeit werden. Und ich will, dass Berlin für die Menschen Heimat ist und lebenswert bleibt.

Mit dem Volksentscheid zu Tempelhof sind Ihre Pläne für den Wohnungsbau dort gescheitert. Was haben Sie daraus gelernt?

Ich habe gelernt, dass Politik und Verwaltung frühzeitig und offen ihre Ziele kommunizieren müssen. Und ich habe gelernt, dass es beim Volksentscheid nicht nur um Wohnungsbau ging. Es war auch eine emotionale Entscheidung. Die Bürger haben uns gesagt: Zu einer so einmaligen Stadt wie Berlin gehört auch eine so einmalige Grünfläche.

Hat Ihnen der Streit um Tempelhof nicht doch geschadet?

Nein. Und ich glaube immer noch, dass Berlin auch in guten Innenstadtlagen neue, bezahlbare Wohnungen braucht. Das habe ich immer offen und ehrlich vertreten und merke gerade jetzt, dass es anerkannt wird, wenn man für seine Position steht und streitet.

Herr Stöß wirbt mit strategischen Ideen, Herr Saleh mit seiner Biographie. Sie wollen also mit dem Wohnungsbau punkten?

Zuerst einmal werbe ich mit meiner Erfahrung. Ich denke, dass man einiges mitbringen muss, um eine Dreieinhalb-Millionenstadt zu führen. Vieles muss man lernen, auch in der Politik. Ich habe Parlaments- und Parteierfahrung und leite die mit Abstand größte Senatsverwaltung. Mit 2000 Mitarbeitern und einem riesigen Themenspektrum. Das hilft für die Arbeit als Regierender Bürgermeister.

Welche Art von Bürgermeister braucht Berlin jetzt, nach Klaus Wowereit?

Es ist fantastisch, wie er Berlin auch international positioniert hat. Die Mentalität und Offenheit der Stadt wird überall geschätzt, wir sind auch wirtschaftlich gut vorangekommen. Trotzdem gibt es noch viel zu tun. Da können die Bürger erwarten, dass sich die Regierung mit großer Verlässlichkeit den Problemen zuwendet. Berlin verändert sich rasant und es wird immer wichtiger, das soziale Zusammenleben vernünftig zu organisieren – mit Blick auf die Menschen, auch auf ihre Sorgen vor Veränderungen.

Sind in einer Stadt, die so schnell wächst, noch alle Probleme elegant lösbar? Wie ist es mit den Touristen in Kreuzberg? Oder mit den Clubs in Häusern, in denen die Bewohner nicht mehr schlafen können?

Man darf nicht allen alles versprechen, das wäre unseriös. Es wird enger in der Stadt, die Konflikte nehmen zu. Auch deshalb sollten wir die an die Freiräume und das Einzigartige, was die Stadt auch ausmacht, für Berlin bewahren und behutsam rangehen. Und zu den Clubs: Es wäre doch furchtbar, eine staatlich verordnete Clubszene zu haben. Sie organisiert sich selbst, und Nutzungskonflikte werden ausgetragen. Ich werbe dafür, dass wir Räume für die dynamische Clubkultur bereithalten – notfalls auch mal außerhalb des S-Bahnrings, wie das neue Kiki Blofeld in Oberschöneweide.

Ist Sparen, bis es quietscht, vorbei?

Sparen, konsolidieren, investieren. Nur so lassen sich Spielräume schaffen für die wachsende Stadt. In die alte Mentalität des Verschuldens und der unkontrollierten Ausgaben darf Berlin nicht zurückfallen. Es ist Klaus Wowereit hoch anzurechnen, dass er diesen Mentalitätswechsel durchgesetzt hat.

Was ärgert Sie an Berlin am meisten?

Manchmal mangelndes Selbstbewusstsein. Aus der Hauptstadtfunktion könnte man noch mehr machen, wir müssen uns nicht hinter anderen Städten verstecken, wir können selbstbewusst sein. Und mich ärgert diese Mentalität des Wegguckens, auf die man hier und da trifft. Das gilt etwa für den Dreck auf Straßen und in Parks. Alle Bürger sind mitverantwortlich dafür, wie ihre Stadt aussieht. Viele engagieren sich ja schon.

Die Berliner ärgert vor allem der BER.

Das lässt sich auch nicht schön reden und der Flughafen muss, so schnell es geht, an den Start gehen. Der BER-Aufsichtsrat sollte dafür in seiner Bau- und Finanzkompetenz deutlich verstärkt werden.

Gehen Sie in den Aufsichtsrat, wenn Sie Regierender Bürgermeister werden?

Ja. Wer Verantwortung für dreieinhalb Millionen Menschen übernehmen will, kann nicht sagen, das mit dem Flughafen ist mir zu kompliziert. Welche Rolle ich im Aufsichtsrat übernehmen würde, und was unterstützend dazu kommen könnte, wird sich zeigen.

"Ich weiß, wie Berlin tickt"

Herr Müller, was ist Ihre größte Stärke?

Ich bearbeite seriös und sachlich die Probleme solange, bis sie vernünftig gelöst sind. Mit Herzblut, Engagement und Spaß daran. Ich weiß, wie Berlin tickt.

Und was ist Ihre größte Schwäche?

Ich habe mir sagen lassen: Mir sieht man an, wenn ich schlechte Laune habe. Ich finde es nicht schön, wenn etwas nicht gelingt und mache keinen Hehl daraus. Aber ich beruhige mich auch schnell wieder. So schlimm ist es also nicht mit mir.

Sie werben mit Sachlichkeit, Seriosität und Akribie. Aber was bieten Sie Neues?

Vielleicht ist das ja was Neues. Sehen Sie, jede politische Phase Berlins braucht den dazu passenden Regierenden Bürgermeister. Berlin musste nach der schwierigen Phase des Zusammenwachsens vor allem als Hauptstadt und Metropole ein neues, international attraktives Selbstverständnis bekommen. Dafür hatten wir mit Klaus Wowereit genau den richtigen Repräsentanten. Jetzt kommen wir in eine neue Phase, in der viele stadtpolitisch drängenden Probleme intensiv angegangen werden müssen. Da biete ich nicht nur das Zupackende, das nötig ist, sondern auch eine Menge Sachverstand.

Bleibt der Senat, wie er ist, sollten Sie ins Rote Rathaus einziehen?

Ohne Not werde ich kein funktionierendes Team auseinander reißen. Und ich gehöre auch nicht zu denen, die schon in der Bewerbungsphase Kabinettslisten zusammenstellen und Posten verteilen.

Aber wer ist künftig für Glamour und Party zuständig?

Da unterschätzen Sie mich mal nicht.

Es hängt Ihnen an, dass sie seriös und sachlich, aber auch ein bisschen bieder sind…

… jaja, farblos, blass, dröge. Das habe ich alles schon gehört.

Was würden Sie gern mal Verrücktes tun?

(lacht) Soweit kommt’s noch, dass ich Ihnen das erzähle! Aber wer mich näher kennt, der weiß: Viele Klischees, die mir angehängt werden, stimmen nicht. Jeder muss sich doch wohlfühlen, so wie er ist. Ich bin ganz bei mir, bin auch freier geworden in den letzten Jahren. Sie werden es also nie erleben, dass ich Klaus Wowereit kopiere.

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