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Das Ohr an der Stadt. Michael Müller, 49, ist derzeit Senator für Stadtentwicklung in Berlin. Hier hat er sich mal den Alexanderplatz angesehen.

© Mike Wolff

Nachfolge von Klaus Wowereit: Warum Michael Müller gute Chancen hat

Viele SPD-Genossen glauben, dass Stadtentwicklungssenator Michael Müller mit seiner späten Bewerbung um das Amt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin erfolgreich sein könnte.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Michael Müller – find’ ich gut. Das ist der Tenor einer Umfrage in den SPD-Kreisverbänden. Jetzt schon zeichnet sich ab, dass der dritte Kandidat für das Amt des Regierenden Bürgermeisters den Konkurrenten Jan Stöß und Raed Saleh das Leben schwer machen wird. Bei einer Befragung der Parteibasis im Oktober. Bei 17.100 Berliner SPD-Mitgliedern, von denen 85 Prozent nicht aktiv Parteipolitik machen, ist eine seriöse Prognose der Stimmungslage allerdings schwierig.

Zitieren lassen will sich dazu niemand, aber es gibt einen Trend: Müller oder Stöß machen das Rennen, Saleh hat Außenseiterchancen. Denn jene Genossen, die Stöß nicht wollen, könnten jetzt teilweise zu Müller abwandern anstatt Saleh ihre Stimme zu geben. Außerdem wird dem Stadtentwicklungssenator zugetraut, dass er die Parteibasis zu seinen Gunsten mobilisieren könnte. Egal, wer es wird: „Am Ende müssen wir uns alle hinter dem Sieger versammeln“, fordert der SPD-Kreischef in Mitte, Boris Velter.

Das ist leicht gesagt, aber schwer gemacht, weil der Berliner SPD-Landesverband zusehends in mehrere Lager zerfällt. Die Fronten ziehen sich teilweise quer durch die Bezirksverbände. Trotzdem wird es so sein, dass die Kür des Wowereit-Nachfolgers in den großen Verbänden entschieden wird, kraft Masse. In Mitte und Charlottenburg-Wilmersdorf, Steglitz-Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg sind mehr als die Hälfte der Berliner Sozialdemokraten organisiert. Aber auch Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg sind wichtige Player mit schnell wachsender Mitgliedschaft.

Alle kann man aber nicht haben. Das gilt auch für Müller. Er setzt, so ist zu hören, auf breite Unterstützung in Neukölln und Treptow-Köpenick, Charlottenburg-Wilmersdorf, Tempelhof-Schöneberg und Reinickendorf. Ansonsten auf viele Streustimmen quer durch die SPD. Vor allem bei den pragmatisch gesinnten Genossen, die auf eine erfolgreiche Arbeit des Senats setzen und einen Regierenden Bürgermeister wollen, der im Herbst 2016 für die SPD die Wahl gewinnen kann.

Andererseits hört man: Das Stöß-Lager sei stabil, große Abwanderungstendenzen in Richtung Müller seien nicht erkennbar, erst recht nicht zugunsten Salehs. Der SPD-Kreischef in Treptow-Köpenick, Oliver Igel, warnt jedoch vor voreiligen Schlüssen. „Jetzt schlägt die Stunde der Mitglieder und nicht der Funktionäre. Die Parteibasis wird entscheiden.“ Er hält Müller für einen hervorragenden Kandidaten mit großer politischer Erfahrung, aber das sei keine Empfehlung an die Mitglieder. „Ich freue mich einfach über die Bewerbung.“

Der Reinickendorfer SPD-Kreisvorsitzende Jörg Stroedter weist darauf hin, dass „die passiven Mitglieder entscheiden, wer es wird“. Parteitagsdelegierte seien berechenbar, aber nicht die gesamte Mitgliedschaft. Einig sind sich alle, dass schnell nominiert werden sollte. Je länger sich die SPD in Berlin mit sich selbst beschäftige, desto größer werde die Gefahr von vorgezogenen Neuwahlen, warnt der Vize-Kreischef in Neukölln, Erol Özkaraca. Grüne und Linke fordern dies, aber auch eine knappe Mehrheit der wahlberechtigten Berliner in einer aktuellen Umfrage.

Erst am Donnerstagabend soll sich Müller endgültig entschieden haben, gegen den SPD-Landesvorsitzenden Stöß und den Fraktionschef Saleh anzutreten. Öffentlich unterstützt wurde dies zuerst in Neukölln und Treptow-Köpenick, aber ein Vertrauensmann sagt: „Das war keine koordinierte Aktion.“ Manche in der Partei haben sich geärgert, dass Stöß und Saleh gleich am Dienstag ihre Bewerbung abgaben. Insofern dürfte Müllers nachdenkliches Zögern kein Nachteil für ihn sein.

Die spannende Frage, ob Klaus Wowereit nun seine dezenten Unterstützungsbemühungen zugunsten des Kandidaten Saleh in Richtung Müller verlagert, blieb bislang unbeantwortet. Immerhin war der frühere Landes- und Fraktionschef Müller viele Jahre ein enger Vertrauter des Regierungschefs.

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