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Nachfolger für Klaus Wowereit: Bootcamp für Bürgermeister: Raed Saleh und Jan Stöß müssen üben

Klaus Wowereit konnte hart sein als Regierender Bürgermeister. Das traut er weder Raed Saleh noch Jan Stöß zu. Beide müssen Führungsstärke entwickeln, schreibt Lorenz Maroldt im Kommentar. Was meinen Sie? Sind die Kandidaten geeignet, Berlin zu führen? Diskutieren Sie mit!

Ein Kommentar von Lorenz Maroldt

Eigentlich, soviel verrät Klaus Wowereit am Tag danach doch noch, hatte er am 15. Juli zurücktreten wollen, das war ebenfalls ein Dienstag, Senatssitzungstag. Aber da Deutschland gerade Weltmeister geworden war und sich die Mannschaft ausgerechnet an diesem Tag in Berlin feiern ließ, passte es dann nicht so richtig. In Gedanken eigentlich schon abgetreten, stand er vor dem Brandenburger Tor und sammelte Autogramme. Glaubt man die Geschichte, wie sie der Noch-Regierende jetzt erzählt, hat er sogar noch am Montag dieser Woche, also kurz vor Tag X, mit sich gerungen, ob jetzt wohl der richtige Zeitpunkt sei, er weist dabei auf sein Sternzeichen hin: Waage. Wowereit – ein Zauderer?

Wohl eher ein Zeichen des Fatalismus, der Erschöpfung, des Überdrusses an Kritik und Häme – er selbst spricht von Gülle –, die er zuletzt zu ertragen hatte. Finaler Egalismus. Das Rathaus war zur Burg geworden, die Senatskanzlei zum letzten Verteidigungsring vor den Feinden da draußen, die sich, aus den Turmfenstern betrachtet, überall verschworen zu haben schienen: In den Orts- und Kreisverbänden der eigenen Partei, im Landesverband, in der Fraktion, beim Koalitionspartner, sowieso in der Opposition, in den Redaktionen, auf den Straßen, in den gentrifizierungsbedrohten Hütten, in den gelangweilten Palästen, bei Bürgerinitiativen, auf Plätzen und Feldern, bei den Demoskopen.

Das erklärt manch maliziöse Bemerkung zum Abschied. Aber erklärt es auch die abfällige Haltung gegenüber den beiden Sozialdemokraten, die um seine Nachfolge ringen, Fraktionschef Raed Saleh und Parteichef Jan Stöß? Oder hält er sie wirklich für völlig ungeeignet?

Zögern und Zaudern - das war einmal

Manchmal hilft ein Blick zurück. Klaus Wowereit war anfangs, 2001, noch lange nicht, was er heute ist. Dass es so läuft, wie es dann lief, ist damals nicht klar. Eberhard Diepgen zu stürzen mithilfe der PDS war ein Risiko, für Wowereit und seine Partei. Er ist ins Amt nicht als Titelheld oder Wahlgewinner gekommen und war außerhalb landespolitischer Kreise recht unbekannt. Aber hart konnte er sein, und eigenes Zaudern im rechten Moment überwinden.

Diese Härte traut er Stöß und Saleh nicht zu, weil sie seinen tiefsten Moment, den zwischenzeitlichen Rücktritt vom BER-Aufsichtsratsposten, nicht zu seinem Sturz auch als Regierender nutzten. Seitdem ist er von ihnen gelangweilt, zuletzt auch genervt. Aber das heißt alles nicht, dass nicht einer von ihnen ins Amt finden und es sogar ausfüllen kann. Gewiss anders als Wowereit. Aber das muss ja nicht schlechter bedeuten.

Bei beiden ist das Zögern und Zaudern vorbei, sie kandidieren, sie stellen sich der Partei. Vielleicht geht dem einen oder anderen in der SPD ja noch auf, dass es ihnen schwerer gefallen sein könnte, den eigenen Regierenden Bürgermeister zu stürzen als den aus einer anderen Partei.

Neuwahlen? Wollen weder SPD noch CDU

Frank Henkel fällt auch das schwer, aber er hat sein Gründe. Die schlechtesten sind es nicht. Er mag womöglich eine Mehrheit im Parlament dafür zusammen bekommen, Neuwahlen herbeizuführen, doch ob ihn das dem Amt näher bringt, ist fraglich. Mit wem will er sonst koalieren? Politisch trennen Union und Grüne in Berlin immer noch Welten. Und bevor die SPD unter Henkel in einen neuen Senat geht, zieht sie dem sicher lieber ein neues, wie auch immer zusammengesetztes linkes Bündnis vor.

Neuwahlen sind zur Zeit in Berlin nur ein Wort. Die SPD will sie nicht, die CDU kann sie nicht gebrauchen, die Piraten sind auch nicht dafür. Was wäre davon auch zu erwarten? AfD statt Piraten vielleicht. Aber so wahnsinnig verzweifelt kann die CDU in Berlin nicht sein, eine Partei hoffestfähig zu machen, die den Marxismus-Leninismus für ebenso menschenverachtend hält wie den von ihr so genannten „Genderismus“. So bleiben bei Boxer Henkel die Fäuste in der Tasche, auch wenn ihn mancher drängt, jetzt mal zu zeigen, was für ein Kerl er ist, und auch wenn Wowereit ihn noch einmal final gefoult hat mit seinem Spott über nicht erreichbare Abwesende. In der Stunde von Wowereits telefonischer Verkündungsrunde war Henkel in der Kita, zur Eingewöhnung von Sohn Leo. In manche Rollen wächst man rein. Das gilt auch für Politiker.

Raed Saleh und Jan Stöß wollen Regierender Bürgermeister von Berlin werden. Was meinen Sie, liebe Leserinnen, liebe Leser? Sind die Kandidaten geeignet? Können Sie sich steigern und Führungskraft entwickeln, wie es Chefredakteur Lorenz Maroldt hier fordert? Wer ist der Bessere für Berlin? Und wer wird gewinnen? Oder halten Sie das Verfahren der Nachfolge für nicht angemessen und wären stattdessen für Neuwahlen? Kommentieren und diskutieren Sie mit! Nutzen Sie dazu bitte die einfach zu bedienende Kommentarfunktion etwas weiter unten auf dieser Seite.

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