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Nachruf: Schauspieler, Diplomat, Bürger

Jörg Kastl starb im Alter von 91 Jahren.

Dass er am liebsten Schauspieler geworden wäre, merkte man Jörg Kastl noch im hohen Alter an. Der Mitbegründer der Berliner Bürgerstiftung hatte ein theatralisches Talent und eine volltönende Stimme. Unter schlohweißem Haar blitzten seine Augen unternehmungslustig auch noch, als er nach schweren Unfällen Mühe mit dem Gehen hatte. Am Donnerstag früh ist er im Alter von 91 Jahren in seiner Berliner Wohnung gestorben.

Geboren wurde er im Juni 1922 als Sohn des Geheimrats Ludwig Kastl in Berlin. Bereits im Alter von 19 Jahren hatte er das Erste Staatsexamen im Fach Jura in der Tasche, folgte dann aber erstmal seiner Herzensberufung. Mit der Schauspielerei hörte er wegen schlechter Kritiken freilich schon 1951 auf. Stattdessen bewarb er sich beim Auswärtigen Amt und legte eine brillante Karriere hin. Auslandseinsätze führten ihn unter anderem nach Frankreich, Argentinien, Brasilien und Russland. Konfliktscheu war er nie, egal, ob es um seinen umstrittenen Einsatz für deutsche Terroropfer in Argentinien ging oder seine Haltung zu Russland, wo er in der schwierigen Zeit zwischen 1983 und 1987 Botschafter war. Er fand die Einstellung des damaligen Außenministers Genscher gegenüber Russland viel zu weich. Nach einer Begegnung mit dem Hannoveraner Juristen Christian Pfeiffer setzte er sich für die Idee der Bürgerstiftung ein. Er tat das auch, weil er in Lateinamerika erlebt hatte, wie die Ausbeutung armer Menschen Gesellschaften schwächt. Sein Erweckungserlebnis fürs Engagement war die Lichterkette in München 1992.

Seine zweite Frau Eva, eine gebürtige Argentinierin, hat er um einige Jahre überlebt. Jörg Kastl hinterlässt zwei Töchter. Zu den letzten großen Freuden seines Lebens gehörte die weihnachtliche Begegnung mit den Enkelkindern. Das Alter und die Spätfolgen seiner Unfälle haben ihn am Ende sehr geschwächt, aber für die Freude an den Nachkommen blieb noch Raum.

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