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Polizistin bei Nacht

© ddp

Nachtarbeit bei Kälte: Dienst in der kältesten Nacht

Den meisten Berlinern reicht es, wenn sie tagsüber in die Kälte müssen, ob zur Schule, zur Arbeit oder privat. Einige Hauptstädter arbeiten in den kältesten Nächten dieses Winters. Alle haben ihre eigenen Tricks, um den unmenschlichen Temperaturen zu trotzen.

Claudia Schmidt zieht ihre Mütze tief ins Gesicht. Die Polizistin hat sich in der Nacht zum Dienstag angesichts der Rekordkälte in einer besonders dicken Schicht aus Kleidung eingemummelt. Als stellvertretende Objektleiterin bewacht sie mit 15 Kollegen in Berlin die britische und die amerikanische Botschaft. Schmidt ist eine von Hunderten, die trotz eisiger Temperaturen draußen ausharren müssen. Ob Müllabfuhr, Streudienst, Rettungsmannschaften oder Wachleute - die Dienstleister halten auch unter extremen Bedingungen die Hauptstadt am Laufen, manche ohne eine Minute im Warmen.

"Die Temperaturen lagen in der Nacht zwischen minus neun Grad am Alexanderplatz und minus 19 Grad in Müggelheim", wird Meteorologe Norbert Becker-Flügel von der MeteoGroup Deutschland am Mittag bilanzieren.

Polizistin Schmidt tritt vor der britischen Botschaft von einem Bein aufs andere. Weil die allgemeine Dienstkleidung "unzureichend" ist, müssen sie und ihre Kollegen sich so gut wie möglich mit privater Ausrüstung vor der Kälte schützen. Dazu gehört auch eine Kapuze unter der Polizeimütze. Immerhin dauert der Dienst von 19 Uhr bis 7 Uhr am nächsten Morgen. Dabei müssen die Polizisten den gesamten Häuserblock aus Adlon-Hotel, Akademie der Künste, DB-Bank und US-amerikanischer Botschaft unzählige Male während ihrer Schicht umrunden. Und das Areal zwischen Brandenburger Tor und Holocaust-Mahnmal ist ziemlich zugig.

"Nicht mal einen Aufenthaltsraum gibt es direkt am Einsatzort", bemängelt Schmidt. Ein Wachhäuschen an den Arkaden des benachbarten Bundestagsverwaltungsbaus sei ein reiner Arbeitsraum und zum Verweilen viel zu klein. Nur Tee und ein wenig Kaffee stehen dort. Wer rauchen will, muss sich irgendwo in eine windstille Nische rund um den Pariser Platz verdrücken.

Ein Leidensgefährte von Schmidt ist Hubertus Albrecht. Der 18-jährige steht vor dem Eingang des Hotel Adlon und wartet auf seinen Dienstschluss um Mitternacht. "Ich bin wohl der einzige Page dieser Stadt, der strikt draußen stehen muss", vermutet er. In allen anderen Berliner Hotels darf das Empfangspersonal hinter den Eingangstüren auf Gäste warten. Nicht am Adlon: Albrecht hat sich weisungsgemäß "zwischen Tür und Treppe" aufzuhalten.

Gegen die Kälte schützt ihn ein bis zum Boden reichender Mantel. Der Zylinder auf dem Kopf lässt dagegen die Ohren frei, Handschuhe und Schal besorgte sich Albrecht auf eigene Kosten. "In der Dienstzeit von achteinhalb Stunden ist eine halbe Stunde Pause eingerechnet, da dürfen wir ins Hotel in unsere Kantine", sagt der Page. "Tagsüber ist gut zu tun, aber ab 22 Uhr kommen kaum noch Gäste".

Bewusst exzentrisch gekleidet haben sich in dieser Nacht Prostituierte entlang der Oranienburger Straße. Sie tragen dicke Wattejacken und fellbesetzte Stiefel in auffälligem Weiß. "Nüscht los" sei auf dem Strich diese Nacht, sagt eine. Es ist inzwischen tiefe Nacht.

Manfred L. zieht ein Wägelchen durch die Straße, das ab 3 Uhr die Tageszeitungen für Dienstag aufnimmt. L. nennt sich selbst eine Eule. Er scheut aus psychischen Gründen den Tag, arbeitet lieber nachts, wie er sagt. Ihm sei wichtig, dass er bis 6 Uhr alle Blätter verteilt hat und dann in der heimischen Küche sitzen kann - mit einem Pott Kaffee und seinen Zeitungs-Freiexemplaren. "Das ist ein Ritual. Die Kälte macht mir nichts aus", sagt er. Das Thermometer zeigt gerade minus 14 Grad. (ddp/til/han)

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