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Das Rauschen der Routen. Die Bundesverwaltungsrichter müssen sich tief in die Planung des neuen Flughafens einarbeiten, um die von den Klägern geforderte Entscheidung über Flüge in nächtlichen Randzeiten treffen zu können. Dabei spielt offenbar auch die Flugroutenplanung eine gewichtige Rolle. Foto: dapd/Sebastian Willnow

© dapd

Nachtflüge: „Flughafenplanung ist kein Roulette“

Im Prozess um die Nachtflüge in Schönefeld kritisieren die Richter das Verfahren zur Routenfestlegung Betreibergesellschaft zahlt zusätzlich 150 Millionen Euro beim Lärmschutz / Urteil am 13. Oktober

Leipzig/Schönefeld - Das Land Brandenburg und die Betreibergesellschaft des neuen Großflughafens BER machen Zugeständnisse beim Lärmschutz für die Anwohner. Etwa 150 Millionen Euro zusätzlich sollen die Gemeinden für Maßnahmen wie Einbau Lärmschutzfenstern erhalten. Vertreter beider Seiten sagten dies am Mittwoch vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu, wo das Verfahren zu Nachtflügen am künftigen Hauptstadtflughafen verhandelt wird. Vor allem Kommunen, die im Startbereich liegen, sollen von dem Geld profitieren. Die Mehrkosten will die Flughafengesellschaft tragen.

Das Gericht hatte zuvor deutliche Worte zu den Flugrouten gefunden. Entschieden wird über ihre Rechtmäßigkeit zwar nicht. Doch der Vorsitzende Richter Rüdiger Rubel erkannte „Defizite“ bei der Planfeststellung, die bei künftigen Vorhaben beseitigt werden müssten. Planungsprognosen müssten angemessene „Schutzvorkehrungen“ aufweisen, um beim Lärmschutz auf später geänderte Routen angemessen reagieren zu können. „Es ist ja kein Roulette, was da stattfindet“, sagte Rubel.

Künftig müsste die Frage der Routen bei der Planung stärker ins Auge gefasst werden, möglich sei ein „Entscheidungsvorbehalt“ im Planfeststellungsbeschluss, der „sichere Kandidaten“ für den Lärmschutz von möglichen Betroffenen abgrenze. Das bisherige einfache Prognoseverfahren sei „nicht einleuchtend“. Gegen den neuen Airport hatten vom Fluglärm betroffene Anwohner geklagt. Die Planung ist vom höchsten Gericht 2006 abgesegnet worden, der ursprünglich vorgesehene Nachtflugbetrieb wurde für die Zeit zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens verboten. Im Sommer 2012 soll der Flughafen öffnen.

Streitig bleiben die „Randzeiten“, in denen geflogen werden darf. Ab 22 Uhr und zwischen fünf und sechs Uhr morgens sollen nach dem Willen der Planer bis zu 103 Flugbewegungen möglich bleiben. Das beklagte Brandenburger Infrastrukturministerium steht auf dem Standpunkt, anders sei ein wirtschaftlicher und den Anforderungen an einen Hauptstadtairport entsprechender Betrieb nicht zu gewährleisten. Die Frage der abknickenden Flugrouten fließt dabei mittelbar in die Entscheidung ein. Die Richter müssen prüfen, ob die Planer von zutreffenden Annahmen ausgegangen sind. Die Behördenvertreter kündigten an, die „Nachtschutzgebiete“ gegen Fluglärm rund um Schönefeld angesichts der aktuellen, von der Flugsicherung vorgegebenen Routen erst Ende 2013 zu bestimmen, während für die Inbetriebnahme eine Prognose bis zum Jahr 2015 zugrunde gelegt wird. Anwohner, die von den umstrittenen neuen Routen betroffen sind, sollen aber schon frühzeitig Anspruch auf Lärmschutz haben.

Die Verhandlung verlief auch am zweiten Tag turbulent. Hatte Richter Rubel die Situation am Dienstag angesichts der Beifalls- und Missfallensbekundung angereister Betroffener mit einem „Musikantenstadl“ verglichen, so drohte er den aufgewühlten Zuschauern am Mittwoch damit, den Saal zu räumen und Ordnungsgelder zu verhängen. „Jetzt ist eine Grenze erreicht.“ Streit gab es am Mittwoch auch um Expertenmeinungen und Forschungen zu den physischen Folgen des Fluglärms. Wissenschaftler trugen vor, die Kausalitäten seien nach neueren Studien nachgewiesen, insbesondere für das erhöhte Risiko von Herz-/Kreislauferkrankungen. Ein Mediziner sagte, der Bluthochdruck steige signifikant ab einem Dauerschallpegel von 50 db(A). Ein anderer Wissenschaftler hielt dagegen, es gebe hier noch viele „offene Fragen“. Der Beklagtenvertreter meinte unter deutlichem Missfallen des Publikums, in den Niederlanden seien über 80 Prozent der Bevölkerung einem Schall von 40 db(A) ausgesetzt. In der juristischen Beurteilung der Lärmschutzfrage stärkte das Gericht die Position der Behörde. Beim BER gehe man angesichts des Vorläufers Schönefeld lärmschutzrechtlich von einem „Bestandsflughafen“ aus, sagte Richter Rubel.

Er kündigte das Urteil zu den Nachtflügen für den 13. Oktober um 10 Uhr an. Angesichts der begrenzten Kontrollmöglichkeiten, die sich die Richter selbst zugestehen, erscheint es aber als unwahrscheinlich, dass sie das absolute Nachtflugverbot auf die von den Klägern geforderte Zeit von 22 bis 6 Uhr ausdehnen. Möglich ist, dass sie die Zahl der in den Randzeiten zulässigen Flugbewegungen weiter zusammenstreichen. (mit dapd)

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