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Berlin: „Nachweis eines unnatürlichen Todes ist schwer“

Nach den angeblichen Klinikmorden in Sonthofen: Vivantes-Arzt spricht sich für regelmäßige Obduktionen aus – nur so könnten die Fälle entdeckt werden

Immer wieder versetzen Meldungen, dass ein Pfleger in einem Krankenhaus ihm anvertraute Patienten getötet haben soll, die Menschen in Unruhe. Jüngster Fall: das Klinikum im bayerischen Sonthofen. Mehr als zehn ältere Patienten soll ein Pfleger hier mit tödlichen Arzneidosen umgebracht haben – aus Mitleid, wie er erklärte. Ist es im Krankenhaus so einfach, jemanden umzubringen?

Natürlich gibt es Sicherungsmechanismen. „Gefährliche Medikamente, wie zum Beispiel Morphium, müssen auf Station in einem verschlossenen Schrank aufbewahrt werden“, sagt Regina Kneiding, Sprecherin der Senatssozialverwaltung. Jede Entnahme müsse genau protokolliert und der Bestand bei jeder Dienstübergabe geprüft werden. „Wenn aber jemand die Arzneien vorschriftsgemäß entnimmt, sie aber nicht verabreicht, sondern zu Hause hortet, ist das schwierig zu entdecken“, sagt Kneiding.

Natürlich wissen Pflegekräfte, welche Arzneien wie wirken. Das macht es auch so schwer, diejenigen zu überführen, die aus welchen Gründen auch immer morden wollen, sagt Eberhard Thombansen, Abteilungsleiter Qualitätsmanagement im landeseigenen Klinikkonzern Vivantes. „Gerade bei alten, schwerstkranken Patienten ist es schwierig, einen unnatürlichen Tod zu erkennen.“ Außerdem sei Morphium, das einen Atemstillstand bewirken kann, oder eine Überdosis Insulin, die eine tödliche Unterzuckerung verursacht, nur mit Mühe nachzuweisen. Dazu müssten die Verstorbenen nicht nur obduziert werden, sondern einer Spezialuntersuchung unterzogen werden.

Doch sei es schwer für einen Arzt, den Verdacht zu äußern, auf seiner Station könnte ein Patient eines unnatürlichen Todes gestorben sein. Denn dann müsste die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen übernehmen. „Es bedarf oft einer Häufung von ungeklärten Todesfällen, bis das überhaupt auffällt“, sagt Thombansen. Deshalb will er erreichen, dass mehr Leichenschauen angeordnet werden. „Sektionen sind Qualitätsindikatoren.“

Die einzige Vorbeugung: „Jeder in einem Pflegeteam muss bei jeder Abweichung von der Norm hellhörig werden“, sagt Franziska Mecke, Pflegedirektorin bei Vivantes. Das gilt zum Beispiel, wenn es Klagen von Patienten über aggressive Pfleger gebe oder an einem Kollegen ein merkwürdiges Verhalten auffalle. Gerade in sehr kleinen Krankenhäusern sei das Pflegepersonal häufig überfordert, sagt Hedwig Kettler, Pflegedirektorin der Charité. Es fehle die Möglichkeit sich über das Erlebte auszutauschen. „Bei uns passiert es fast nie, dass nur eine Schwester oder ein Pfleger auf einer Station Dienst hat.“

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