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Berlin: Naomi Campbell: Audienz im Adlon

Es ist eine hysterische Stille. Der Aufzug im Hotel Adlon zählt die Etagen mit einem goldenen Zeiger.

Es ist eine hysterische Stille. Der Aufzug im Hotel Adlon zählt die Etagen mit einem goldenen Zeiger. Nur, wer einen Schlüssel besitzt, darf die oberen Etagen betreten. Der Zeiger wandert langsam über den Halbkreis. Pling. Schön hier, doch. Warten auf Naomi Campbell macht Spaß. Auf der zweiten Etage des Adlon gibt es einen kleinen Garten mit Blick auf den Potsdamer Platz. Viel Licht fällt auf den hellen Marmorboden. Überall Spiegel, holzgerahmt und schmeichelnd bräunlich getönt.

Die blonde Maskenbildnerin schlendert mit einem durchsichtigen Make-up-Beutel über den großzügigen Flur. In dem Täschchen scheint gar nichts besonderes drin zu sein. Der Leibwächter ist klein von Statur. Nett ist der und grinst sogar. Hält er ein Fläschchen Reizgas im Ärmel versteckt? Neben ihm sind drei Männer - einer lehnt an der Wand, der andere hockt am Boden und drückt entnervt sein Handy, der dritte läuft unruhig hin- und her. Drei Anziehhilfen, Ausziehhilfen, Klamottenaussucher, Zurechtzupfer. Ihr Job ist Warten. Dann gibt es Damen in Hosenanzügen, besonders elegant ist eine Französin im Nadelstreifenanzug. Sie ist die Herrin des Pling. Sie holt Stylisten, Kamerateams, Manager, Assistenten etc. vom Erdgeschoss ins zweite Geschoss. "Delay", das war ihr letztes Wort, Verspätung. Ein bedauernder Blick. Ihr Klemmblock schnappt zu wie eine Mäusefalle. Ihr rutschen Bleistifte und Kugelschreiber aus den Händen. Pling-Woman ist ganz offenbar nervös. Sie fürchtet sich vor Baby-Woman. Denn Baby-Woman ist der Chef.

Im Interview-Zimmer von Naomi Campbell hat man das Bett erntfernen lassen. Zwei Nachttischchen stehen traurig links und rechts vom übriggebliebenen blau-weiß gemusterten Bett-Himmel. Auf dem Glastisch befindet sich, in knisterndes Cellpophan-Papier eingepackt, ein undefinierbarer Gegenstand aus weißer und hellbrauner Schokolade. Vor dem Fenster blühen bunte Blumen. Campbell müsse Antibiotika schlucken, heißt es - ein ekelhafter Magen-Darmvirus habe sie vorgestern ereilt. Jetzt, nachdem der Arzt da war, ginge es besser. Sie trägt ein schwarz-silbernes, überaus raffiniert geschnittenes Kleid und um den Hals einen kleinen Schlüssel. Ihr Anblick ist nicht leicht zu ertragen - sie sieht aus, wie man sie von Plakaten und aus Magazinen kennt. Absolut ebenmäßig, durch und durch perfekt. Kerngesund. "Mein Mund ist so trocken, wegen der Medikamente", haucht sie in Maiglöckchen-Wolken. Das Schokoladengebilde könnte ein Tier sein. Ein Bär? Ein Rind? "Sie wollte noch einen Hot Dog essen", klagt Miss Pling. "Aber da war ihr schon schlecht."

Das "verwöhnte, egozentrische, gewinnsüchtige Balg", wie der Chef der amerikanischen Model-Agentur "Elite" über Campbell sagte, muss dumme Fragen beantworten. Das Model, das seit 1993 über die Agentur "Ford" gebucht werden kann (für bis zu 60 000 Mark Tagesgage) lässt sich nichts anmerken. Die Tochter einer britischen Tänzerin war seinerzeit das erste dunkelhäutige Model, das auf die Titelseiten der franzöischen und britischen Vogue gelassen wurde. Mit 15 Jahren wurde sie beim Einkaufen in ihrer Heimatstadt London entdeckt. Jetzt ist sie 30 Jahre alt. Sie ist für alle namhaften Designer gelaufen, hat während ihrer Liason mit Adam Clayton von U 2 eine Platte aufgenommen ("Babywoman"), einem Ghostwriter ein Buch diktiert ("Swan"), sich mit Mike Tyson geboxt, später mit Robert de Niro geküsst und einen Duft zusammengemixt ("Naomi Campbell"). Bald kommt das zweite Parfum der britischen Ausnahmeerscheinung in alle "Rossmann"-Regale: "Naomagic" feiert Weltpremiere in Berlin.

Das Supermodel reibt eine Art Kiesel zwischen den Händen. Ein Handschmeichler, "very much relaxing". Der Flacon von "Naomagic" ist dem nachempfunden - stetes Tröpfchen im kostbaren Stein. Richtig gut findet die hochbezahlte Schönheit den Geruch von frischem Marzipankuchen, den ihre Omi, bei der sie aufwuchs, immer gebacken hat. An Männern mag sie es weniger süß. "I go for Bulls", hat Campbell mal gesagt, auf richtig kernige Kerle steht sie also. Vor nicht allzu langer Zeit soll die Britin das Gesicht eines Zimmermädchens etwas schroff mit einem Telefon in Kontakt gebracht haben. Die Hotelangestellte hatte angeblich geplaudert. Auf den Nachtschränkchen - nichts zu sehen. Kein Telefon in Greifweite. Naomi muss sich umziehen. Für das Foto. Eine halbe Stunde später kommt sie in einem kamelfarbenen Kleid zurück. Genervt faucht sie eine der Damen an. Die Tür fällt wieder zu. Silberne Zimmernummer. Die Stylisten sehen geschafft aus. Naomis Manager, dem die Haare zu Berge stehen, spricht leise auf sie ein. Dann das Foto - Naomi Campbell lächelt. Und wie. Ihre Augen leuchten, die Lippen beben leicht, innerhalb von 30 Sekunden schafft sie alle Nuancen der freudigen Erregtheit. Vom leichten Schmunzeln bis zum sympathischen, offenen Grinsen, Kinn im Licht, Kinn im Schatten. "Thank you", sagt sie bestimmt. Sie hat die Kontrolle. Ihr braunes Kleid rutscht hoch, wenn sie das will.

Dann drückt sie ab, auf den Parfumzerstäuber. Spurenelemente von Seidenproteinen strömen auf ihren einwandfreien Hals. "Das Parfum unterstreicht die Magie jeder Frau", meint Naomi Campbell. Dass in den USA neuerdings eine Initiative gibt, die den Gebrauch von Parfums in der Öffentlichkeit einschränken lassen will, davon weiß sie nichts. "Wenn ich Essen gehe, sprühe ich mich doch vorher ein und nicht erst bei Tisch." Sie lebe in London, dort könne sie riechen wie sie wolle. Bereits als ganz junges Mädchen habe sie Gerüche von "Rochas" und "Dior" benutzt.

Auf einem Stuhl liegt eine Mappe mit Naomi Campbells genauem Tagesablaufplan, und damit auch dem der 15-köpfigen Mannschaft: "8 h, very early Morning-Call". Der Rest des Tages ist gestrichen. Dufte.

Esther Kogelboom

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