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Berlin: Napoleons Hut und Fritzens Mantel

Viel Publikumslob für die neue Ausstellung des Deutschen Historischen Museums

Als sich am Sonnabend um zehn die schwere Tür des Zeughauses endlich öffnet, gibt es für die ersten hundert Besucher eine Überraschung: Sie dürfen ohne das Eintrittsgeld in die neue Ständige Ausstellung des Deutschen Historischen Museums Unter den Linden. Zwei Stunden später – und so lange muss man mindestens für seinen Spaziergang durch Höhen und Tiefen von 2000 deutschen Jahren rechnen – haben die ersten diesen Historien-Parcours bewältigt. Und sind sehr angetan.

„Das Leben unserer Vorfahren ist anschaulich dargestellt, attraktiv in Szene gesetzt und höchst informativ“, sagt Hans-Heinrich Auras, der mit seiner Frau Renate aus Bernau gekommen war. Der 77-Jährige hat viele Assoziationen im letzten Teil der Schau, denn „ich habe in meinem Leben fünf verschiedene Fahnen erlebt und drei Mal auf irgendetwas schwören müssen: zuerst beim Volkssturm, dann bei der NVA und schließlich noch in der Kampfgruppe. Alle drei sind abhanden gekommen, nicht ich war der ,Deserteur’, sondern sie – ich hab nun keinerlei Achtung mehr vor Schwüren jedweder Art.“

So gehen jedem, der die über 8000 Exponate studiert und auf sich wirken lässt, Erinnerungen durch den Kopf, aus jüngster und aus ferner Zeit. Hier ein Stück Berliner Mauer, dort Napoleons zweieckiger Hut, Albrecht Dürers grandioses Bild Karls des Großen, des Alten Fritz’ taillierter Mantel (geschätzte Konfektionsgröße 36), Hitlers Größenwahnsschreibtisch (vier Meter breit), Helmut Kohls schwarze Aktentasche, der Hammer von der Grundsteinlegung des Palasts der Republik – und eine kleine Schallplatte mit dem Deutschlandlied in der „Schöneberger Fassung“ von der Mauerfall-Kundgebung am 10. November 1989 („Vocals: Helmut Kohl, Walter Momper, Hans-Dietrich Genscher und Willy Brandt“). Das lebendige Historienbuch, eine Chronik des Wandels, in der der Wind der Geschichte durch die Seiten fährt und wo die Sachzeugen reden.

Inzwischen kommen immer mehr Besucher in die Eingangshalle. Ihre Erwartungen und die Neugier auf die Schau werden noch größer, wenn sie vor einem riesigen, auf dem Fußboden ausgebreiteten Europa-Panorama stehen. In 33 Phasen werden hier die zwischen den Jahren 117 und 2000 verschiedenen geografischen Umrisse dessen beleuchtet, was wir heute Deutschland nennen. Von dieser optischen Ouvertüre schicken uns dienstbare Geister zum Start des Rundgangs vom Jahr null bis 1918 ins Obergeschoss, später geht es im Parterre weiter in die Zeit von 1919 bis 1994. Am Schluss entlässt uns ein Bild von Christos Reichstagsverhüllung in die Gegenwart, „ich bin gespannt, wann wir die 140 000 Euro, die das Gemälde kostet, zusammenhaben“, sagt gut gelaunt Direktor Hans Ottomeyer. Projektkoordinator Hans-Jörg Czech freut sich über das positive Echo für seine sechsjährige Arbeit. „Man findet sich wieder“, sagt ein Besucher, „hier erfahren wir, wo wir herkommen“, ein anderer. Ein Ehepaar aus Niedersachsen erklärt Enkelin Jasmin die Welt, „das ist Geschichtsunterricht“, sagen sie, während ein Amerikaner fragt: „Und wo ist hier der Führerbunker?“ – Am Ausgang links, bevor man mit schwirrendem Kopf ins Museumscafé abdriftet, steht ein elektronisches Gästebuch. Das erste Lob hat ein Mann aus München geschrieben: „Ich finde das Museum beeindruckend, es ist das Größte, das ich je gesehen habe, und ich komme bald wieder!“

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