zum Hauptinhalt
Versöhnlich. Valjeko Gacic ist als Priester der serbisch-orthodoxen Gemeinde für ein Unentschieden.

© Doris Klaas

Fußball-WM: Napred naši - Berliner Serben fiebern mit

Vorwärts, Jungs! Beim WM-Spiel gegen Deutschland feuern am Freitag 35 000 Berliner Serben ihre Mannschaft an.

Dejan Urosev hat doppelt geflaggt. „An meinem Auto hängt auf der einen Seite die serbische und auf der anderen Seite die deutsche Flagge“, sagt der 32-jährige Fußballfan. Er ist in Berlin aufgewachsen, aber sein Herz schlägt auch für die alte Heimat. Am Freitag zieht der Mann aus Marienfelde seinen Concierge-Anzug vom Palace-Hotel ausnahmsweise mal nicht an. „Ich habe extra frei genommen, um das Spiel Serbien gegen Deutschland anschauen zu können.“ Und, wen feuert der Berliner Serbe an? „Ehrlich gesagt, fände ich es schon schöner, wenn Serbien gewinnt. Deutschland hat ja gegen Ghana gute Chancen, und ich fände es super, wenn Serbien und Deutschland beide als Gruppenerste weiterkämen.“

Am Freitag wird es auch die rund 35 000 Serben in Berlin vor den Fernseher ziehen. Die meisten von ihnen, so die Auskunft der Kulturabteilung der Serbischen Botschaft, kamen bereits Ende der 60er Jahre aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland, viele zunächst ins alte Westdeutschland, bevor es sie nach Berlin zog. Die Mutter von Dejan Urosev war noch sehr jung, als sie mit seinem Onkel nach Deutschland kam. „Ich bin perfekt zweisprachig“, sagt der Fußballfan, der beim serbischen Verein „FK Serbien“ kickt. „Und ich bin Mannschaftskapitän, wie Philipp Lahm“, sagt Urosev und lacht. Er feuere die Spieler auf Deutsch an, auf beim Fußballgucken werde Deutsch gesprochen, nur geflucht werde manchmal auf Serbisch.

In der serbischen Kultur und Sportvereinigung in Neukölln wird es am Freitag aber „napred naši“ (vorwärts, Jungs!) heißen, wenn die serbische Nationalmannschaft von ihren Fans vor der Leinwand angefeuert wird. Budimir Markovic ist Koordinator im Verein und hofft, dass viele kommen und Flaggen zum Anfeuern mitbringen werden. In Neukölln sollen viele Serben wohnen, sagt er. Wenn ein Tor geschossen wird, rufen die Serben: „gol“, das heißt Tor. Und Koordinator Markovic hofft, dass es die Tore für Serbien sein werden.

Auch an der Kirche geht das Fußballfieber nicht vorbei. „Unsere Nation ist fußballverrückt“ sagt Valjeko Gacic. Er ist Priester in der serbisch-orthodoxen Kirche Hl. Sava in Wedding und hat von klein auf Fußball gespielt. Am liebsten würde der 40-jährige das Spiel mit seinem Sohn schauen, beide seien große Fußballfans. Der ist aber zum Bedauern des Vaters zu dieser Uhrzeit noch in der Schule. Deshalb werde er am Freitag mit seiner Frau das Spiel zu Hause verfolgen. Wie es ausgehen soll, da tut sich der Priester mit der Antwort schwer. Eigentlich hofft er, dass es ein Unentschieden gibt. Er stammt zwar aus Serbien, aber mittlerweile hat er einen deutschen Pass und sich zwischen der alten und der neuen Heimat entscheiden, will er lieber nicht.

Dejan Urosev erinnert sich noch gut an die Stimmung im serbischen Café Car, das heißt Zar, an der Uhlandstraße nahe Berliner Straße und Hohenzollerndamm, „da haben beim ersten Spiel 250 bis 300 Serben angefeuert“. Er selbst wird aber am Freitag wegen der großen Leinwand in die Strandbar „Beach at the box“ zum Public Viewing gehen. Serbische Sonne im Herzen, Berliner Sonne auf der Haut.

Annette Kögel, Marianna Mamonova

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false