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Berlin: Nationalfeiertag der Schweiz: Knisternd, spektakulär, effektvoll - die neue Form der Diplomatie

Berlin, die junge Hauptstadt, lädt offenbar ein, neue Formen der Diplomatie zu testen. Die Schweizer, gemeinhin eher unter die Etiketten bodenständig und konservativ eingeordnet, gehen mit anderen Formen munter voran.

Berlin, die junge Hauptstadt, lädt offenbar ein, neue Formen der Diplomatie zu testen. Die Schweizer, gemeinhin eher unter die Etiketten bodenständig und konservativ eingeordnet, gehen mit anderen Formen munter voran. Was zwischen Ministerien zu besprechen ist, was an Entwicklungen im jeweils anderen Land zu beobachten ist, lässt sich in einer global-transparenteren Welt zum Teil auch per e-mail oder Telefongespräch auf Referentenebene erledigen. Um Images zu gestalten, Sympathien und große Investitionen an sich zu ziehen, muss es knistern. Dass das große Fest zum Schweizer Nationalfeiertag nicht nur von Raclette-Könnern und alpenländischen Musikern gestaltet wurde, sondern auch von Kommunikationsstrategen und einer eingeschworenen Gemeinde suissophiler Sponsoren, liegt auf der Hand.

Die Feier zum schweizerischen Nationalfeiertag im Wirtshaus Schildhorn sollte nach deren Konzept ganz offensichtlich das Ereignis im Berliner Sommer werden. Auf seinem Höhepunkt wurde es eindrucksvoll illuminiert mit der Selbstverbrennungsskulptur des Künstlers Bernhard Luginbühl zu später Stunde auf der Havel. Spektakulärer kann man sich nicht rächen: Einst abgewiesen im Restaurant "Haus Berlin" von unlustigen Kellnern, gestaltete er das gastfeindliche Haus um zu einer Selbstverbrennungsmaschine. Eine schwimmende Holzskulptur, Mischung aus Wassermühle, Fabelhaus und Scheiterhaufen ging nach und nach mit spektakulären Feuerwerkseffekten in Flammen auf, eine Hommage an Wut und Vergänglichkeit gleichzeitig, eine Reminiszenz auch an die Höhenfeuer schweizerischer Tradition. Das knisterte und glühte ganz unglaublich, bis zum Schluss die Lettern "Haus Berlin" von den Flammen verschlungen wurden.

Aahs und Oohs des staunenden Publikums. Den üblichen Assoziationen an Schokolade, Käse, Uhren, Bergen und Heidi soll offensichtlich einiges hinzugefügt werden. Die Schweiz ist auch Sitz vieler internationaler Organisationen; dieses Wissen tritt oft hinter die gängigen Klischees zurück. Botschafter Thomas Borer-Fielding hatte zu Beginn des Abends in eine moderne, dynamische, innovative und sinnliche Schweiz eingeladen. Gemeinsam mit seiner Frau Shawne verkörpert er eine neue Dimension von Glamour in der Diplomatie, ein kosmopolitisches Paar, das die Konventionen, durchaus zum skeptischen Stirnrunzeln mancher konservativer Gemüter, mindestens ausreizt, wo nicht überstrahlt. "Die beiden sind sowas wie unsere Royals", schwärmte ein beeindruckter Schweizer Geschäftsmann. "Eigentlich sollten sie jedes Jahr in ein andere Land gehen, um möglichst vielen das neue Bild der Schweiz zu vermitteln." Shawne Borer-Fielding beschränkt sich nicht darauf, im Chanel-Kostüm andere Diplomaten-Gattinnen zu unterhalten, obwohl sie das auch kann. Nebenbei dreht sie in ihrer amerikanischen Heimat Spielfilme und bastelt an einer Schallplatte mit selbstgetexteten House Music-Songs. Gleichzeitig kümmert sie sich mit steinerweichendem Charme und unermüdlicher Energie um die Gäste der Botschaft. Zum 709. Geburtstag waren 709 Gäste geladen, gekommen waren 1100.

In Bonn gab es für die Tradition glanzvoller diplomatischer Feste so recht keine Plattform, vielleicht fehlte das Knistern. Doch wenn in Berlin mehr Länder dem Beispiel folgen und sich ihrem eigenen Ziel-Image entsprechend in Szene setzen, darf man auf interessante Sichtveränderungen hoffen. So ein Sympathiewettstreit ist ja nicht die schlechteste Form, sich aneinander zu messen. Mit ihrer Charmeoffensive zeigt die nach wie vor geschäftstüchtige Schweiz Flagge. Mal sehen, wer folgt.

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