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Naturkundemuseum: Schatzkammer aus Glas

Der Ostflügel des Naturkundemuseums ist fertig, der Umzug von unzähligen Tierpräparaten abgeschlossen. Ab Dienstag können Besucher 80.000 Exponate sehen – in einer begehbaren Vitrine.

Sechs Gläser sind zersprungen. Sechs von 260 000. Der Umzug von rund einer Million Fischen, Schlangen, Würmern, Spinnen, Amphibien und Reptilien, allesamt in Alkohol konserviert, läuft fast reibungslos. Wenn am Dienstag der rekonstruierte Ostflügel des Naturkundemuseums wiedereröffnet wird, hat die weltberühmte Tiersammlung endlich ein brandschutzsicheres Zuhause gefunden.

Damit ist eine der letzten prominenten Kriegsruinen Berlins beseitigt. Am 3. Februar 1945, bei einem Tagesangriff der US-Airforce, schlug eine Bombe in den Ostflügel ein und zerstörte die Stützpfeiler. Große Teile des Gebäudes stürzten ein. Im Luftschutzraum starben mehrere Menschen. Die großen Walskelette wurden verschüttet und die Säle für Insekten und Säugetiere zerstört.

Während andere Teile des Museums nach dem Krieg notdürftig instandgesetzt wurden, blieb der Ostflügel bis 2006 eine Ruine. Doch die drangvolle Enge im Museum, dessen Sammlungen jedes Jahr anwachsen, erzwang schließlich den Wiederaufbau. Knapp 30 Millionen Euro gaben Land und Bund dafür aus. Erneuert wurden auch die angrenzenden „Kopfbauten“, in denen moderne Labore und Büros entstanden sind.

Das Architekturbüro Diener & Diener aus Berlin plante den neuen Ostflügel als modernen Betonbau mit historischem Fassadenrelief. Ruinenreste wurden in den Bau integriert und farblich abgesetzt. Fensternischen mussten allerdings, wo noch vorhanden, zugemauert werden, da kein Tageslicht in die Säle dringen soll.

Auf mehr als 3000 Quadratmetern können nun Tierpräparate gelagert werden, die bislang über das Museum verstreut waren. Bei einem Raumklima von konstant 15 Grad ist die Brandgefahr minimiert. Außerdem verflüchtigt sich nicht mehr so viel vergällter Alkohol aus den Glaszylindern. Bislang waren die Mitarbeiter und Forscher des Hauses das ganze Jahr hindurch mit Konzentrationskontrolle und Nachfüllen beschäftigt. Bis zu 1000 Liter wurden im Jahr verbraucht, schätzt Peter Bartsch, der für den Umzug der Nasssammlung zuständig ist.

Der sechs Meter hohe Saal mit den Fisch- und Reptilienpräparaten im Erdgeschoss ist für das Publikum zugänglich. Hier lagern auf zwei Ebenen rund 80 000 Glaszylinder. Auf Terrazzoboden wandelt der Besucher an einer begehbaren Großvitrine entlang wie an einer gläsernen Schatzkammer, die ihre eindrucksvollsten Preziosen nach außen kehrt. Im Innern der Vitrine dürfen sich nur Forscher und Konservatoren bewegen. Die oberen Stockwerke sind nicht zugänglich und deshalb nüchterner und technischer gestaltet. Im Dachgeschoss sind neue Werkstätten für die Präparatoren eingerichtet worden. Damit verbessern sich deren Arbeitsbedingungen erheblich.

„Die flüssige Sammlung ist die am stärksten wachsende Abteilung“, sagt Peter Bartsch. Präparate in Alkohol seien für molekulare und genetische Untersuchungen geeigneter als trockene. 20 Prozent der neu gewonnenen Fläche ist noch frei für künftige Zuwächse. Wie lange der Platz reichen wird, kann Bartsch allerdings auch nicht sagen.

Durch den Umzug sind Säle frei geworden, die eine Renovierung dringend nötig haben. Damit soll noch in diesem Jahr begonnen werden. Die historischen Vitrinen aus Holz und Fensterglas werden in den Werkstätten des Museums aufgearbeitet und teilweise für Skelette und andere Trockenpräparate wieder verwendet. Einige mächtige Glaszylinder mit großen Tiefseefischen warten hier noch auf ihren Umzug in den Keller des neuen Ostflügels. Dort entstehen Lagerräume für besonders große Tierpräparate wie Haie oder Lachse.

Mit dem Ostflügel nähert sich das Naturkundemuseum wieder seiner ursprünglichen Konzeption als Haus, das Forschern wie Laien offensteht. Wenn der nächste Bauabschnitt fertig ist, soll auch ein kurzer Rundgang durchs Obergeschoss des Museums möglich sein.

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