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Berlin: Naturstadt (Glosse)

Steinernes Berlin? Das war einmal.

Steinernes Berlin? Das war einmal. Spätestens mit dem Frühling erobert sich die Natur die Stadt zurück. Zum Beispiel die Hummeln: Dick und braungelb surren sie auf dem Balkon herum, naschen von den Stiefmütterchen, vergraben sich im Goldlack. Vierfarbig ist der übrigens, obwohl aus einer einzigen Wurzel stammend. Die Blaumeise ist zurückgekehrt und beschwert sich gleich. Wie kommen die Menschen dazu, auf ihrer Terrasse Kaffee zu trinken? Die Mauersegler - jene pfeilgeschwinden Vögel, die Tage wie Nächte in der Luft verbringen - schweben in diesen vorsommerlichen Wochen wohl noch hoch über Afrika.

Auch der kleine Elefant Kiri wird bald seinen Rüssel in die Sonne stecken. Das mutterlose Elefantenbaby machen seine Laufübungen jeden Tag größer und stärker. "Hindernisse schmeißt Kiri einfach um", sagt sein Pfleger. Vielleicht sollte man das Kerlchen auf die Warteliste für Berliner Kultursenatoren setzen. Hingegen Yan Yan wird uns wohl auch in den nächsten zwei Monaten keinen Nachwuchs bescheren. Nur gut, dass unser Pandaweibchen eine Leihgabe aus China und nicht aus Österreich ist. Sonst hätten wir sie schon mit dem Ausdruck äußerster Empörung der Stadt verweisen müssen.

Hier drinnen, hinter den steinernen Fassaden dieser Zeitung, flattert einzig das Moorhuhn durch seine virtuelle Welt. Viele Moorhühner, um genau zu sein. Aber draußen treiben die Apfelbäume, von denen die ersten bald, schon in den nächsten Tagen, anfangen werden zu blühen. Und die Kirschbäume. Bald gibt es wieder Kirschwein. Und Apfelwein. Dann können sich die Hummeln und die Blaumeisen wieder wundern, warum die Menschen so schwanken.

Eva Schweitzer

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