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Auf Bewährung. Der Landeschef der Piraten Hartmut Semken hat ein Problem mit der Abgrenzung von Rechtsextremen. Jetzt haben viele in der Partei ein Problem mit ihm.

© dapd

Nazi-Debatte: Piratenchef soll noch mal nachdenken

Der Landesvorsitzende der Piraten, Hartmut Semken, ist nach seinen Äußerungen zum Umgang mit rechtsextremen Mitgliedern politisch angezählt. Parteiinterne Gegner fordern eine klare Abgrenzung gegen rechts.

Hartmut Semken, Landesvorsitzender der Piratenpartei, ist wegen seines umstrittenen Umgangs mit Rechtsextremisten in den eigenen Reihen zum Parteichef auf Bewährung geworden. Martin Delius, parlamentarischer Geschäftsführer der Piraten im Abgeordnetenhaus, sagte am Sonnabend: „Er hat jetzt noch mal eine kurze Zeit, um zu beweisen, dass er es ernst meint mit der klaren Abgrenzung gegen rechts. Wenn er das nicht tut, muss man das neu bewerten.“ Deutliche Kritik kommt auch aus anderen Berliner Parteien. CDU-Generalsekretär Kai Wegner sagte: „Die Piraten sind gut beraten, die Frage zu beantworten, ob sie den richtigen Mann an ihrer Spitze haben.“

Semken geriet wegen Äußerungen auf seiner privaten Internetseite in die Kritik. Er hatte unter anderem geschrieben, das Naziproblem der Piraten stellten jene dar, die das „Rausschmeißen“ und „Wir müssen uns abgrenzen“ immer wieder herunterbeteten. Semken bat dafür später um Entschuldigung, dennoch forderten drei prominente Berliner Piraten, darunter der Abgeordnete Oliver Höfinghoff, seinen Rücktritt.

Semkens Kritiker hatten eine außerplanmäßige Landesmitgliederversammlung zur Abwahl Semkens ins Spiel gebracht. Noch aber verfolgen sie diesen Vorstoß nach eigener Auskunft nicht aktiv. Stephan Urbach, einer der drei Unterzeichner der Rücktrittsforderung, sagte am Sonnabend, Semken solle zunächst Zeit zum Nachdenken erhalten.

Hartmut Semken selbst sagte, er erfahre Unterstützung durch viele Piraten. „Ich bekomme überwiegend Stimmen, die sagen: Du gehst auf keinen Fall.“ Eine endgültige Entscheidung über einen möglichen Rücktritt habe er aber noch nicht getroffen.

Die Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus

Semken-Kritiker Urbach wendet sich auch gegen Pläne des Landesvorstands, Ende Mai eine Konferenz zum Thema Rechtsextremismus abzuhalten. „Das wird’s nicht bringen“, sagte er. „Zu solchen Konferenzen gehen immer nur die, die sich eh schon für das Thema interessieren.“ Semkens Kollegen im Landesvorstand hatten den Landesvorsitzenden am Freitag unterstützt und schlossen dessen Rücktritt aus. Mit der Konferenz wolle man zu „konstruktiver Diskussion und Aufklärung“ beitragen.

Wie die Mehrheitsverhältnisse an der Parteibasis sind, ist schwer abzuschätzen, sowohl Unterstützer als auch Kritiker Semkens melden sich zu Wort. Um eine Landesmitgliederversammlung einzuberufen, wäre die Unterstützung von zehn Prozent der Parteimitglieder nötig.

Am Freitag hatte zudem der Grünen-Landesvorsitzende Daniel Wesener auf einen Blogbeitrag Semkens vom Oktober 2011 hingewiesen. Dort heißt es, wer zur Blockade von Nazi-Aufmärschen aufrufe, wende selbst „Nazimethoden“ an. Wesener sagte, die „kruden Blogbeiträge“ seien „nicht nur eine Zumutung für viele seiner Parteifreunde“. Semken erklärte dazu, er könne jeden unterstützen, der sich auf seine Gewissensfreiheit berufe und Demonstrationen blockiere. Wegen der geltenden Rechtslage dürfte die Partei aber nicht dazu aufrufen.

Michael Müller, Landesvorsitzender der SPD, bezeichnete Semkens Äußerungen als sehr irritierend. „Man kann nur hoffen, dass sie keinen Widerhall im Berliner Landesverband der Piratenpartei finden.“ Klaus Lederer, Landesvorsitzender der Linkspartei, sagte auf Anfrage, den Fall Semken müssten die Piraten unter sich klären. Er habe keine Lust, sich in Semkens Blogbeiträge einzulesen.

Am Freitag rief die Bundesgeschäftsführerin der Piraten, Marina Weisband, alle Mitglieder im Internet dazu auf, sich öffentlich gegen Nationalsozialismus, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung zu wenden. Wenn Rechte nicht aus der Partei ausgeschlossen werden könnten, so sollten sie politisch ausgegrenzt werden. Binnen weniger Stunden unterzeichneten hunderte Menschen Weisbands Aufruf. Hintergrund der Debatte sind Fälle wie jener des baden-württembergischen Piraten Kevin Barth, der per Twitter mitteilte, er finde „die israelische kackpolitik und den juden an sich unsympatisch“. Die Piraten aus Mecklenburg-Vorpommern hatten feststellen müssen, dass ihr früherer Landtags-Spitzenkandidat Ex-Mitglied der NPD ist. Zuletzt scheiterte aus formalen Gründen ein Ausschlussverfahren gegen Bodo Thiesen, der Sympathien für einen Holocaustleugner gezeigt und offen Verständnis für den Angriff Deutschlands auf Polen zu Beginn des Zweiten Weltkriegs geäußert haben soll.

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