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Berlin: Naziangriff in Kreuzberg: Polizei in der Kritik

Politiker fordern Untersuchung des Einsatzes Innensenator verurteilt „rechten Gewaltexzess“

Nach dem verhinderten Neonaziaufmarsch am Samstag in Kreuzberg ist jetzt klar, dass die Übergriffe der Rechten durch eine folgenschwere Entscheidung der Einsatzleitung ermöglicht wurden. Mehrere Gegendemonstranten waren von Neonazis durch Schläge und Tritte verletzt worden. Wie aus einer Pressemitteilung der Polizei hervorgeht, sollten die Rechtsextremen durch den U-Bahnhof Mehringdamm hindurchgeführt werden, um oben auf der Straße eingekesselte Gegendemonstranten zu umgehen. Auf dem Bahnsteig hätten die Neonazis die Einsatzkräfte dann plötzlich überrannt und stürmten ohne Polizeibegleitung in die Gegendemonstranten.

Vertreter von Grünen und Linksfraktion kritisierten den Polizeieinsatz als Augenzeugen scharf. Der massive Pfefferspray-Gebrauch, die Kesselung der Gegendemonstranten und das Durchführen der Rechten im U-Bahnhof seien nicht nachvollziehbar. Die Polizei wies die Kritik am Sonntag zurück. Es habe „ohne den Einsatz von Zwangsmitteln“ gegen die Protestierenden keine andere Möglichkeit gegeben, als die Neonazis an der Blockade vorbeizuführen.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) verurteilte am Sonntag „das erschreckende Maß an brutaler Gewalt, die von rechtsextremistischen Demonstrationsteilnehmern gegenüber weitgehend friedlichen Gegendemonstranten, unbeteiligten Dritten und eingesetzten Polizeibeamten ausgeübt wurde“. Bis auf wenige Ausnahmen hätten sich die Neonazigegner friedlich verhalten. „So wie diese Demonstration abgelaufen ist, fällt sie nicht mehr unter den grundrechtlichen Schutz der Versammlungsfreiheit.“ Bei künftigen Neonaziaufmärschen werde der „Gewaltexzess der Rechtsextremisten“ in eine Verbotsprüfung mit einfließen.

Pressebilder zeigen den brutalen Angriff von Neonazis auf am Boden sitzende Gegendemonstranten. Fahrgäste flüchteten in Panik aus dem U-Bahnhof. Vier junge Leute wurden vor den Augen der Polizei von rund 40 Neonazis verprügelt. Als die Polizei eingriff, schob sie die Angreifer lediglich zur Seite. Festnahmen gab es in dieser Situation offensichtlich keine. „Die haben gezielt auf unsere Köpfe getreten“, sagt Student Max, der auf dem Foto links neben dem Mann im grauen Pullover auf der Straße liegend zu sehen ist. Ein Rechter habe ihm mehrfach mit der Faust ins Gesicht geschlagen.

Im Internet auf www.tagesspiegel.de ist ein Bild des Studenten mit Platzwunde im Gesicht und zugeschwollenem Auge zu sehen. Mit drei Freunden hatte sich der 30-Jährige spontan auf den Mehringdamm gesetzt, um den Aufmarsch zu blockieren. „Nur drei Polizisten standen da, konnten die Rechten aber nicht stoppen“, sagt er. Die vier Betroffenen wollten noch am Sonntag Anzeige wegen Körperverletzung erstatten. „Unser Anwalt prüft, ob wir auch gegen die Polizisten wegen unterlassener Hilfeleistung vorgehen.“ Die Polizei spricht von 36 verletzten Beamten. 46 Personen wurden vorübergehend festgenommen, ohne zu sagen, aus welchem Lager. Laut BVG-Angaben wurden Videoaufnahmen von den Bahnsteigen bereits gesichert.

Eine konkrete Begründung, weshalb die Neonaziveranstaltung bis zuletzt geheim gehalten wurde, war weiter nicht zu bekommen. Die Pressestelle sei nicht verpflichtet, Routen von Versammlungen an Journalisten zu geben, hieß es.

„Ich erwarte vom Polizeipräsidenten und vom Innensenator eine Erklärung, warum der Aufmarsch vorher nicht bekannt gegeben wurde“, sagte FDP-Innenexperte Björn Jotzo. Mit mehr Transparenz wäre es für die Anwohner nicht zu diesen unvorhersehbaren Entwicklungen gekommen. Der innenpolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, Robbin Juhnke, wollte sich zu den Ereignissen erst nach Auswertung im Innenausschuss äußern. Als „völlig befremdlich“ bezeichnete Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) die „Geheimhaltungspolitik“ der Polizei: „Ich werde Herrn Körting um Aufklärung bitten, warum ich nicht informiert wurde.“ Er selbst sei kurz nach dem Durchbruch der Rechtsextremen angekommen und überrascht über das harte Vorgehen der Polizei gegen die protestierenden Kreuzberger gewesen. „Richtig schlimm war das“, sagte Schulz. Es habe keinerlei Verhältnismäßigkeit oder Zurückhaltung der Beamten gegeben. „Die ganze Einsatztaktik wirft viele Fragen auf“, sagte der Vorsitzende der Linksfraktion, Udo Wolf, der auch an den Protesten teilgenommen hatte. Die Entscheidung der Einsatzleitung,die Neonazis durch die U-Bahn zu leiten, an deren Ausgang Gegendemonstranten standen, müsse im Innenausschuss genau geprüft werden. Die rechte Szene feiert derweil im Internet den Gewaltausbruch als Erfolg. In der Nacht zu Sonntag schlugen laut Polizei zudem zehn Neonazis zwei 28-Jährige an einer Tramhaltestelle in Hohenschönhausen zusammen.

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