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Der Student Jens Mehlbaum, eigentlich 35 Jahre, hat sich dank Latexmilch, Schminke und Kostüm in den Weihnachtsmann verwandelt.

© Marion Starke

Nebenjob Weihnachtsmann: "Es ist besonders wichtig, lieb auszusehen"

Eltern bestellen gerne einen betagten Weihnachtsmann vom Studentendienst. Geht klar, sagt sich einer von ihnen – und packt in 50 Minuten 50 Jahre drauf.

Es war vergangenen Montagmittag, einen Tag nach dem dritten Advent, als der Architekturstudent Jens Mehlbaum in den Spiegel sah und sich nicht mehr erkannte. Mehlbaum, 35, hatte ausgeschlafen an diesem Tag und fuhr zur Technischen Universität. Direkt zur Arbeitsvermittlung des Studentenwerks Berlin, ins Büro von Hu-Ping Chen, dem Chef-Nikolaus. Mehlbaum arbeitet seit 2004 als Weihnachtsmann. Chen rief eine Fotografin, schlüpfte in seine rote Jacke und stiefelte gemeinsam mit ihnen die Uhlandstraße entlang.

Mehlbaum und Chen kennen sich seit zehn Jahren. Damals, als er seinen Saisonjob begann, musste Mehlbaum noch wochenlang Musikvideos schauen, ehe er zu seinem Auftraggeber ging, um das Programm abzustimmen. Mittlerweile ist er sattelfest, es reiche ein Nachmittag, bis „Kling, Glöckchen“ und „Alle Jahre wieder“ fehlerfrei sitzen, sagt Jens Mehlbaum. Die weihnachtlichen Gedichte und Bräuche kenne er fast alle.

Der Weihnachtsmann soll faltig aussehen

Bloß das mit dem Styling ist schwieriger geworden. Früher kämmte Mehlbaum seinen Kunststoffbart, zupfte seine Kunststoffperücke zurecht und seinen Bauch in Form und warf den großen roten Mantel um seine Schultern. Dieses Jahr reicht das nicht. Der Weihnachtsmann soll faltiger aussehen. „Bei mir gehen viele Anfragen für alte Männer ein“, sagt Chef-Weihnachtsmann Chen. „Früher war das anders, aber die Tradition, einen der jungen Stundenten zu mieten, ist so langsam durch. Also probieren wir das mal mit Schminke.“ Das Make-up-Center Kryolan am Kurfürstendamm spielt den Sponsor.

Schritt eins: Mit Latexmilch beginnt die Verwandlung in den Weihnachtsmann.
Schritt eins: Mit Latexmilch beginnt die Verwandlung in den Weihnachtsmann.

© Marion Starke

Vor dem Make-up-Spiegel legt Fachkraft Jacqueline Blochwitz, 23, die Camouflage-Palette bereit. 80 Hauttöne. „Ganz so viele brauchen wir zum Altstippeln nicht, aber es soll ja möglichst echt aussehen“, sagt sie. Hinter ihr zeigen Werbeplakate im Schaufenster, wie durch Make-up-Kunst Eisprinzen, chinesische Blumenköniginnen und Maori-Kämpfer entstehen.

Jens Mehlbaum ist nervös. Er darf sich nicht bewegen. Make-up-Stylistin Blochwitz verreibt die erste Schicht Latexmilch über seinen Augen, auf Stirn und Wangen und fönt sie dann trocken. Sobald die Haut dünn und trocken aussieht wie Pergamentpapier, werden Falten eingearbeitet, das dauert einige Minuten.

Innerhalb einer Stunde ist er verwandelt

„Fühlt sich verklebt an, unnatürlich“, sagt der alternde Mehlbaum. Aber er hatte sich ja freiwillig gemeldet. Verschiedene Töpfchen Flüssig-Make-up machen den richtigen Teint, Kajal die Hängewangen, weiße Maskara alte Brauen, und Wangenrot gaukelt die Frische eines fröhlichen Weihnachtsmanns vor. Es dauert etwa eine Stunde, ehe Mehlbaum ein Weihnachtsmann ist. Zum Schluss positioniert er den Fatsuit vor dem Bauch, zieht Hose, Stiefel, Umhang, Mütze, Bart und Lesebrille an. Nur die hellwachen, 35-jährigen Augen wollen nicht so recht ins Gesicht passen.

Schritt zwei: Jetzt werden die tiefen Stirnfalten gezogen. Das fühlt sich nicht gut an.
Schritt zwei: Jetzt werden die tiefen Stirnfalten gezogen. Das fühlt sich nicht gut an.

© Marion Starke

„Es ist besonders wichtig, lieb auszusehen. Es gibt nämlich Kinder, die Angst vor dem Weihnachtsmann haben“, sagt Jens Mehlbaum. Darum telefoniert er vor jedem Besuch noch mal mit den Eltern der Kinder. Natürlich bespricht man da auch Lieblingsweihnachtslieder und Geschenke. Und es geht darum, was die Kinder Schönes erlebt haben und wo sie vielleicht noch an sich arbeiten müssen. Das alles steht dann im wichtigsten Utensil: dem goldenen Buch.

Weihnachtsmänner sind gefragt

Der erste Einsatz in diesem Jahr war ehrenamtlich. Weihnachtsmann Mehlbaum brachte Säcke voller Süßigkeiten, Bälle, Malbücher in eine Flüchtlingsunterkunft nach Moabit. „60 Kinder jubelten. Die erste Überraschung war gelungen.“ Noch bis zum heutigen Montag bescheren Studierende bedürftige Kinder in Flüchtlingsunterkünften und Kinderheimen in Berlin und im Umland.

Schritt drei: Hängebäckchen und weiße Augenbrauen lassen Jens älter aussehen.
Schritt drei: Hängebäckchen und weiße Augenbrauen lassen Jens älter aussehen.

© Marion Starke

Weihnachtsmänner sind gefragt in Berlin. Wer nächstes Jahr einen für die besondere Bescherung will, sollte Anfang November im Weihnachtsmannbüro der TU-Mensa buchen. Das Büro vermittelt seit zehn Jahren deutschlandweit – ein Verbund von Weihnachtsmännern und Nikoläusen aus vielen Orten Deutschlands. Wer den Weihnachtsmann bestellt, bekommt dann verkleidete und bestens geschulte Studenten, Künstler und Hobbyakteure. Für die Bescherung an Heiligabend ist übrigens nichts mehr drin. Aber für den 25. und 26. Dezember könnte man noch Glück haben.

Marion Starke

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