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Berlin: Nervöse Ruhe um den Oranienplatz

„Kreuzberg kommt gut ohne Gewalt aus“, hoffen die Macher des Volksfestes

Im Hinterhof an der Kreuzberger Oranienstraße 34 schöpft Silke Fischer im Garten des Kiezzentrums kurz Luft. Ein Obstbaum steht in Blüte, das Bild könnte friedlicher nicht sein. Sie sieht müde aus an diesem Freitagnachmittag. Mit nervöser Spannung erwartet die 45-Jährige den Tag, auf den sie sich fast ein Jahr vorbereitet hat. Sie ist Initiatorin des bezirklichen „Myfestes“, das Sonntag um 16 Uhr beginnen soll, drei Stunden nach dem Abmarsch der „revolutionären“ Demo vom Oranienplatz.

Es soll ein friedliches Volksfest auf der Oranienstraße werden, mit 18 Bühnen voller Musik und Tanz, rund 1200 Beteiligten, mit einem „Erlebnisparcours“ für die Kinder, mit Kanu-Fahrten über den Landwehrkanal. Das Fest soll zeigen, dass der 1. Mai in Kreuzberg sehr gut ohne Gewalt auskommen kann. Es soll ein Bollwerk gegen das Krawall-Ritual sein, wie es Autonome wieder angekündigt haben. „Ich bin nicht naiv“, sagt Silke Fischer, „aber wir müssen präsent sein, den kulturellen Reichtum und die Verständigung pflegen.“ Das Interesse der Anwohner am Myfest sei sehr groß, man wolle im Kiez keine gewalttätigen Auseinandersetzungen, bei denen nicht mal klar sei, um was es eigentlich geht. „Der Boden für die Solidarität mit der Gewalt existiert hier nicht mehr.“

Im letzten Jahr wurde das Myfest zwar von Autonomen gestört, aber es bewährte sich als ruhender Pol. Der Rückhalt der Anwohner, die sich die Freude am Fest nicht nehmen lassen wollten,war groß. Und er wird, so hofft Silke Fischer, in diesem Jahr noch viel größer sein.

Wie an der Oranienstraße sind auch am Boxhagener Platz in Friedrichshain Halteverbote aufgestellt. Am Platz parken nur noch wenige Autos. Dass es vermutlich nicht ganz friedlich zugehen wird, lässt sich schon Freitagnachmittag ahnen. Eine Gruppe der autonomen Szene hat sich an einer Ecke des neugestalteten Parks versammelt, es wird viel getrunken, eine junge Frau sagt augenzwinkernd: „Am Boxi ist immer was los, ich mache mit.“ Junge Leute, die auf der Liegewiese lagern, vermuten, es werde wohl nichts passieren, weil die Polizei schon angekündigt habe, hier besonders präsent zu sein. Das Café „Karuna“ macht am 1. Mai „ganz normal“ auf.

Die neugestaltete Grünfläche mitten auf dem Platz ist aber ab heute Mittag gesperrt. Balci Fatin vom „Kiezladen“ sagt, die Polizei habe ihm verboten, heute Flaschenbier zu verkaufen. Im „Weltladen“ ist man besonders über die „Vollsperrung“ des Platzes verwundert. „So etwas habe ich hier noch nie erlebt“, sagt Adina Hammoud hinterm Ladentisch. Sie glaubt aber nicht an Krawall: Gegenüber, am Rand des Parks, hat sich eine Trinkgemeinschaft versammelt. Ein Mann erinnert sich, dass letztes Jahr Polizisten aus Bayern oder Hessen hier „heftig hingelangt“ haben. Das habe ihn beeindruckt. Er selbst bleibe am Sonntag vorsichtshalber im Bett.

Christian van Lessen

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