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Berlin: Neue Alternative

Junge Grüne wollen ihre Partei wieder in Bewegung bringen. Ihr Vorbild ist die AL, die vor 25 Jahren auszog, die Berliner Politik aufzumischen

Von Sabine Beikler

Leicht hat es sich Daniel Wesener nicht gemacht, als er mit 25 Jahren vor zwei Jahren bei den Grünen eintrat. „Aber nach der unsäglichen Deutschland-Debatte wusste ich, dass ich was tun muss.“ Warum aber ausgerechnet bei den Grünen? Das „Demokratieverständnis“ habe ihn angezogen: Die Basis werde bei Entscheidungen mit einbezogen, die Hierarchie in der Partei sei noch nicht so ausgeprägt.

Sein „Noch nicht so“ bezieht der junge Grüne ausdrücklich auf den Berliner Landesverband. Auf der Bundesebene erschrecke ihn die „Versorgungsmentalität“: „Rezzo Schlauch hat als Fraktionschef bei der Bonusmeilen- Affäre Fehler gemacht. Das hat offenbar in einer Partei, die gegen Filz und Parteispenden ist, gar nicht gestört. Heute ist Schlauch Staatssekretär.“ Dass der Berliner Grünen- Verkehrspolitiker Michael Cramer gern ins europäische Parlament einziehen würde, kann Wesener gar nicht nachvollziehen. „Warum finden ältere Grüne nicht mal einen Punkt, wo sie sagen: Jetzt ist gut?“

Die jüngeren Parteimitglieder müssten heute die Rolle spielen wie die AL vor 25 Jahren, sagt der Student. „Der Partei den Spiegel vorhalten und fragen, wo die Projekte geblieben sind. Heute fehlen die Utopien.“ Die Berliner Grünen würden sich wie andere Landesverbände immer weniger mit der außerparlamentarischen Bewegung auseinander setzen. Ältere Parteimitglieder seien nicht mehr „offen“ und würden sich politisch mit Kompromissen begnügen, statt erst einmal Maximalforderungen zu stellen: „Hätte man vor 20 Jahren nicht ,Atomkraft? Nein Danke‘ gefordert, würde es heute vielleicht noch nicht einmal einen Atomkompromiss geben.“

Daniel Wesener ist ein strikter Befürworter der Trennung von Amt und Mandat. Schweren Herzens hat er in Berlin die Entscheidung mitgetragen, den Landesverband zu erweitern. Wenn er sich die drei Grünen-Minister auf Bundesebene anschaut, kommt bei ihm schon Ärger hoch: „Ich weiß nicht, wie viele Beschlüsse noch gefällt werden müssen, damit Renate Künast, Joschka Fischer und Jürgen Trittin ihre Mandate endlich abgeben. Aber die kümmert das irgendwie überhaupt nicht“, sagt er kopfschüttelnd.

Alternativen suchen – das bedeutet für das Grünen-Mitglied, das im Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg aktiv ist, „reine politische Alternativen“. Heute würde er zumindest das parlamentarische System nicht mehr hinterfragen wie das andere ältere Grünen-Mitglieder früher gemacht hätten. „Das Standbein war die außerparlamentarische Opposition, das Spielbein das Parlament.“ Heute würde das nicht mehr gelten.

Früher, da waren die Grünen für Benny Gollme „ein Sozialpädagogenverein“. Heute würden sie Anzüge tragen. Benny Gollme, 20 Jahre jung, ist seit einem Jahr Grünen-Mitglied. Er ärgert sich maßlos über das Gebaren der Grünen auf Bundesebene. „Hartz, Gesundheitsreform und so: Die haben viel zu wenig verhandelt. Statt dessen hieß es: Wenn wir das Päckchen wieder aufschnüren, dann wird alles noch viel schlimmer.“ Die Grünen seien doch kein „Kanzlerabstimmungsverein“, schimpft das Mitglied im Landesvorstand der Grünen Jugend. Der Partei würde allgemein mehr „Bissigkeit“ gut zu Gesicht stehen. Auch die Berliner Grünen sollten sich mal wieder mit intelligenten Aktionen in der Öffentlichkeit zeigen. Gollme betont, dass er damit nun wirklich keine „Karnevalsnummern im Plenarsaal“ meine.

Wie seinem jungen Parteifreund Wesener fehlen auch ihm die Themen für die nächsten Jahre. „Wo sind die Projekte?“ Vorschläge haben die jungen Grünen einige: mehr Bündnisse mit Bürgerinitiativen, Globalisierungskritikern, Legalisierung von Cannabis oder eine bessere Frauenförderung. War da nicht mal was?

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