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Eine Schülerin in Hessen durfte sich vergangenen Dienstag über Einschulung und Schultüte freuen.

© dpa

Neue Bildungslandschaft: Rot-rote Schulreform ging in den Praxistest - vor fünf Jahren

Vor fünf Jahren begann das neue Schuljahr mit einschneidenden Veränderungen. Neben der Abschaffung der Haupt- und Realschulen gehörten dazu vor allem die starke Ausweitung des Ganztagsbetriebs. Was Schüler, Eltern und Lehrer zum Schulbeginn erwarteten. Was Susanne Vieth-Entus damals schrieb.

Die neuen Sekundarschulen starten flächendeckend mit sportlichen oder musischen Angeboten am Nachmittag. Ein Großteil wird auch den Pflichtunterricht über den Tag bis 16 Uhr verteilen. Damit steigt der Anteil der Schulen mit Ganztagsbetrieb von etwa 60 auf rund 70 Prozent.

Erfreut zeigte sich Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) über die große Bereitschaft der Schulen, eine Anwesenheitspflicht bis 16 Uhr einzuführen. Diesen „gebundenen Ganztagsbetrieb“ werden mehr als die Hälfte der 111 Sekundarschulen anbieten. Weitere 35 Schulen werden ihr Nachmittagsangebot zumindest an einigen Tagen pro Woche verpflichtend machen, und nur neun Schulen stellen es den Schüler völlig frei, ob sie gleich nach Schulschluss oder erst um 16 Uhr gehen. Alle neu startenden Sekundarschulen haben Kooperationen mit freien Trägern der Jugendhilfe oder Sportvereinen und Musikschulen abgeschlossen.

Einigen der bisherigen Hauptschulen ist es gelungen, auch leistungsstärkere Schüler anzuziehen. So berichtet die Weißenseer Heinz-Brandt-Schule, dass immerhin zwei Drittel ihrer neuen Siebtklässler eine Empfehlung für die Realschule vorzuweisen hätten. Weitere zwei Schüler kommen mit einer Gymnasialempfehlung. Es sei „ein tolles Gefühl“, unter diesen veränderten Bedingungen zu starten, sagte Schulleiterin Miriam Pech. Sie und ihre Vorgängerin Karla Werkentin hatten sich seit Jahren vehement für die Abschaffung der Hauptschulen eingesetzt. Ähnlich wie an anderen neuen Sekundarschulen sind aber auch an der Heinz-Brandt-Schule noch nicht alle Umbauten für den Ganztagsbetrieb abgeschlossen: Hier entsteht zurzeit ein vierstöckiger Rundbau, der unter anderem die neue Mensa beherbergen soll.

„Gute Stimmung“ vermeldet auch Detlef Pawollek, der Leiter der Neuköllner Kurt-Löwenstein-Hauptschule, die mit der Röntgen-Realschule fusioniert. Auch hier wird eine gute Schülermischung am neuen gemeinsamen Standort erreicht. „Nette Eltern und nette Kinder“ seien dabei, hat Pawollek erfreut festgestellt.

Der zuständige Referatsleiter Siegfried Arnz, der früher selbst eine Hauptschule geleitet hat, zeigte sich ebenfalls zuversichtlich. Etliche der ehemals 44 Hauptschulen hätten bereits eine „erkennbare Mischung“. Falls sich in Sekundarschulklassen leistungsschwache Kinder derart konzentrieren sollten wie bisher in Hauptschulen, könnten die Schulen kleinere Klassen einrichten, betonte Arnz. Die übrigen Klassen der Sekundarschulen sollen aus rund 25 Kindern bestehen, bei den Gymnasien sind es 32.

Unruhe gibt es an vielen Schulen noch wegen fehlender Lehrer. Zwar betonte Zöllner abermals, dass rein rechnerisch genug Lehrer da seien. Noch seien aber nicht alle da, wo sie hingehörten. Insbesondere Gymnasien in Steglitz-Zehlendorf klagten über viele fehlenden Lehrer, sagte Landeselternsprecher Günther Peirisch. Er macht jetzt eine eigene Abfrage an den Schulen, um einen vollständigen Überblick zu bekommen. Auch Detlef Pawollek aus Neukölln berichtete über ein noch unvollständiges Kollegium.

Die Opposition äußerte ihr Unverständnis darüber, dass die Lehrerausstattung noch unvollständig sei. Berlin habe abermals zu spät mit den Einstellungen begonnen, kritisierte Sascha Steuer (CDU). Özcan Mutlu (Grüne) gab zu bedenken, dass „eine Strukturreform allein „nicht ausreicht“. Mike Senftleben (FDP) nannte die Situation „nicht vertrauenerweckend“.

Verschärft wird die Lage noch durch die Querelen um das verringerte Personalkostenbudget der Schulen. Aus diesen Mitteln konnten die Schulen in den vergangenen Jahren kurzfristig Pädagogen einstellen, um die schwierige Phase zu Schuljahresbeginn zu überbrücken. Wie berichtet, ist dieses Budget aber vor den Ferien vom Senat gekürzt worden. Die Vereinigung der GEW-Schulleiter sprach am gestrigen Freitag davon, dass die Vertrauensgrundlage dadurch „schwer beschädigt“ sei.

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren"

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