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Berlin: Neue Debatte um Werte-Unterricht

CDU-Fraktionschef gibt Böger Mitschuld an „gefährlicher Entwicklung“. Viel Lob für den Schulleiter

Nach den Vorfällen an der Thomas-Morus-Hauptschule in Neukölln ist die Debatte um Wertekundeunterricht neu entbrannt. An der Oberschule sollen drei Schüler, wie berichtet, den Mord an der 23-jährigen Hatin S. im Unterricht gutgeheißen haben. Dies hatte Schulleiter Volker Steffens in einem Offenen Brief an Schüler, Lehrer und Eltern bekannt gemacht. CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer wirft der rot-roten Koalition und Schulsenator Klaus Böger Versagen vor. Die „gefährliche Entwicklung“ an der Neuköllner Schule sei „das Ergebnis der Verweigerungshaltung“ gegen ein Schulfach Religion, Ethik, Werteerziehung. Böger trage Mitverantwortung für den Vorfall, weil er es im Hinblick auf das neue Fach bei Absichtserklärungen belassen habe.

In der Bildungsverwaltung wollte man den Vorwurf am Donnerstag nicht kommentieren. Bögers Staatssekretär Thomas Härtel begrüßte das Vorgehen des Neuköllner Schulleiters. Dieser habe, indem er den Vorgang öffentlich machte, dem Motto der Landeskommission gegen Gewalt entsprechend gehandelt: Hinsehen und nicht wegschauen. „Mit dem Brief eröffnet der Schulleiter die Auseinandersetzung über Toleranz, Achtung und Menschenwürde und trägt zur Enttarnung eines ungeheuer frauenfeindlichen Weltbildes bei“, sagte Härtel. Wichtig sei, dass die Morus-Schule die Diskussion weiterführe. Der Schulpsychologische Dienst werde Kontakt zu ihr aufnehmen.

Der Sprecher der Bildungsverwaltung, Kenneth Frisse, stimmte dem CDU-Fraktionschef nur in einem Punkt zu: Böger wolle in der Tat ein Wahlpflichtfach Ethik und Religion. Der Unterricht solle zur Toleranz zwischen den Kulturen beitragen und multikulturelle Werte vermitteln. Für einen verpflichtenden Werteunterricht sprach sich auch die PDS-Abgeordnete Evrim Baba aus. Die Grünen wollen nun das Gespräch mit türkischen Verbänden und Geistlichen suchen. „Man darf die Schulen nicht alleine lassen“, sagt Özcan Mutlu, bildungspolitischer Sprecher. Wertevermittlung sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Celal Altun, Generalsekretär der Türkischen Gemeinde zu Berlin, zeigte sich betroffen von den Äußerungen der Schüler: „Die Aufklärung unter den türkischen Mitbürgern muss weitergehen.“ Die Türkische Gemeinde hofft nun auf eine intensivere Zusammenarbeit mit dem Senat. FDP-Schulexpertin Mieke Senftleben forderte Frauenverbände auf, Stellung zu beziehen.

Der Vorfall in Neukölln wird auch von anderen Lehrern und Schülern diskutiert. „Ich denke, es gibt keine Schule mit hohem Ausländeranteil, an der nicht vereinzelte Jugendliche den Mord als ,gerechte Strafe’ betrachten“, sagt Ulrich Kopitzki, Leiter der Weddinger Ernst-Reuter-Gesamtschule. Das Problem sei, dass man nicht an die Eltern herankomme, die die Ideale vermitteln. „Es gibt natürlich Jugendliche, die sagen, die Frau hat das verdient“, sagt Ali, 17, aus Mitte. Er selbst verurteilt die Tat. Auch Yasemin, 15, ist überzeugt, „dass es auch andere Jugendliche gibt, die denken, die Tat war in Ordnung“. Das Mädchen mit dem Kopftuch findet den Mord „krass“: „Die Frau war alt genug, so zu leben, wie sie möchte.“ Werner Lindemeier, Leiter der Luise-und-Wilhelm-Teske-Realschule in Schöneberg, meint indes, die Aussagen würden überbewertet. „Durch die extremen Ansichten einiger weniger wird der Mehrzahl ausländischer Jugendlicher bitter Unrecht getan.“

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