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Berlin: Neue Hoffnungen auf eine bürgerliche Mehrheit mit der CDU

Nach der Sachsen-Wahl hat die FDP in Berlin umgeschwenkt: Angesichts der wachsenden Zustimmung für die CDU erinnern sich die Liberalen an ihre traditionelle Rolle als Funktionspartei, als Zünglein an der Waage. Sie wollen der CDU zu einer bürgerlichen Regierungskoalition verhelfen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Nach der Sachsen-Wahl hat die FDP in Berlin umgeschwenkt: Angesichts der wachsenden Zustimmung für die CDU erinnern sich die Liberalen an ihre traditionelle Rolle als Funktionspartei, als Zünglein an der Waage. Sie wollen der CDU zu einer bürgerlichen Regierungskoalition verhelfen. "44 Prozent sind nichts. 43 Prozent und fünf Prozent bedeuten jedoch eine neue bürgerliche Mehrheit für die Stadt." Dieser Slogan wird ab Montag plakatiert und schon an diesem Wochenende über eine FDP-Wahlkampfzeitung öffentlich verbreitet.

Plakatiert wird in der Schlussphase des Berliner Wahlkampfes auch der FDP-Landesvorsitzende Rolf-Peter Lange, um dessen niedrige Bekanntheitsquote ein wenig aufzupäppeln. "Wir sehen uns im Moment bei vier Prozent der Zweitstimmen; das reicht noch nicht, aber 30 Prozent der Wähler sind unentschieden, das ist unsere Chance", sagt Lange. Die CDU verrechne sich, wenn sie auch noch die letzten FDP-Wähler einzusammeln wolle. Selbst mit 44 Prozent, knapp unterhalb der absoluten Mehrheit, stehe sie dann möglicherweise ohne Koalitionspartner da und müsse sich in einer Minderheitsregierung von einer gedemütigten SPD - die in die Opposition gehe - dulden lassen. Instabile Verhältnisse kämen auf die Stadt zu.

Bisher sah sich die Berliner FDP, im Falle einer parlamentarischen Wiedergeburt, in der Oppositionsrolle. Mit SPD und Grünen gemeinsam eine "Ampelkoalition" zu bilden, wurde von der Parteiführung strikt abgelehnt. Außerdem ist für ein solches Regierungsmodell keine parlamentarische Mehrheit in Sicht. Jetzt, wo eine christlich-liberale Mehrheit in den Bereich des Möglichen rücke, biete sich die FDP im Wahlkampf-Schlussspurt gezielt dem Mittelstand als "bürgerliche, liberale Reformpartei" an und fordere zum Stimmen-Splitting auf, kündigt Lange an. Erststimme für die CDU, Zweitstimme für die FDP.

Der neue Kurs, der trotz katastrophaler Wahlergebnisse für die Liberalen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen das Ende der Bescheidenheit einleitet, ist im FDP-Landesvorstand unumstritten. Die Freien Demokraten müssten dem "Alleinvertretungsanspruch der Berliner CDU für das bürgerliche Lager" etwas entgegensetzen, so Lange. Es sei "unverschämt", wie der CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky gegen die FDP agitiere. Thomas Seerig, linksliberaler Spitzenkandidat im Bezirk Steglitz, wo die FDP (nach Zehlendorf und Wilmersdorf) 1995 noch die meisten Stimmen erhielt, gibt seinem Parteichef Recht. "Wenn die Option nach dem 10. Oktober besteht, müsste eine FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus mit dem Klammerbeutel gepudert sein, der CDU kein Koalitionsangebot zu machen." 1981 bis 1989 regierte die FDP in Berlin mit der Union, bis 1983 als "Tolerierungspartner".

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