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Klaus Lederer (l-r), Michael Müller und Ramona Pop, schauen nach der Unterzeichnung in den Koalitionsvertrag.

© Kay Nietfeld/dpa

Rot-Rot-Grün in Berlin: So könnte das 100-Tage-Programm des Senats aussehen

Der rot-rot-grüne Senat will ein Sofortprogramm für die ersten 100 Tage vorlegen. Das könnten die Prioritäten der Landesregierung sein - von Wohnen über Radverkehr bis zur Drogenpolitik.

Von
  • Sabine Beikler
  • Ulrich Zawatka-Gerlach

Wenn an diesem Freitag die Mitglieder des rot- rot-grünen Senats ihren Dienst antreten, ist ihre Arbeit vor allem von den 177 Seiten des rot-rot-grünen Koalitionsvertrags bestimmt. Um den abzuarbeiten, haben SPD, Linke und Grüne fünf Jahre Zeit. Aber die Bürger erwarten schnelle Erfolge. „Wir werden Tag für Tag hart arbeiten, um die Stadt besser zu machen und den Alltag der Menschen zu erleichtern“, heißt es in der Präambel der Koalitionsvereinbarung. Am Anfang will der Senat ein Programm für die ersten hundert Tage vorlegen. Wir überlegen auf Grundlage der Koalitionsvereinbarung, was drinstehen könnte.

Investitionen

Im ersten Regierungsjahr will der Senat eine Art Masterplan für öffentliche Investitionen aufstellen. Im Vordergrund stehen ein Sanierungsfahrplan für Gebäude und ein langfristiges Investitionsprogramm. Die Projekte sollen „kostengünstig, nachhaltig und schnell“ realisiert werden.

Wohnen und Mieten

Die Koalition will schnell entscheiden, wie Sozialwohnungen ohne Anschlussförderung in ein System einkommensabhängiger „sozialer Richtsatzmieten“ überführt werden können. Im Sozialwohnungsbestand sollen Mieterhöhungen ab April ausgesetzt werden, bis für die Festsetzung der Sozialmieten eine Neuregelung gefunden ist. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften sollen mehr Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindungen zur Verfügung stellen. Ab 2017 sollen die landeseigenen Wohnungsunternehmen jährlich 6000 Neubauwohnungen bauen.

Stadtentwicklung

Der Stadtentwicklungsplan Wohnen wird im ersten Halbjahr 2017 überarbeitet. Auf elf neue Stadtquartiere hat sich Rot-Rot- Grün schon geeinigt (Blankenburger Süden, Buch, Buckower Felder, Wasserstadt Oberhavel, Gartenfeld, Europacity, Michelangelostraße, Schumacher-Quartier, Johannistal/Adlershof, Köpenick und Lichterfelde Süd).

Haushaltspolitik

Im Januar legt der Senat einen Nachtragshaushalt für 2017 vor. Er sieht zusätzliche Investitionen für Schulen und Kitas (120 Millionen Euro), für höhere Beamtenbezüge und Tarife bei Zuwendungsempfängern sowie zusätzliche Stellen in den Bezirken (100 Millionen Euro), den Ausbau der Radwege (10 Millionen Euro), die Wohnungsbauförderung (30 Millionen Euro) und die energetische Modernisierung (10 Millionen Euro) vor.

Wissenschaft

Ein neuer Hochschulvertrag für 2018 bis 2022 muss vorbereitet werden. Die Zuschüsse an Hochschulen und Universitäten soll jedes Jahr um 3,5 Prozent steigen. Kurzfristig will der Senat mehr Wohnraum für Studierende schaffen.

Kitas

Die Bedarfsprüfung für einen Betreuungsplatz von Amts wegen (für Kinder ab drei Jahre) wird umgehend abgeschafft.

Hauptstadtvertrag

Der Hauptstadtfinanzierungsvertrag zwischen Berlin und dem Bund, der Ende 2017 ausläuft und um zehn Jahre verlängert werden soll, muss vom neuen Senat verhandelt werden. Dabei geht es um mehr Geld für die innere Sicherheit und höhere Zuschüsse für die Kultur. Rot-Rot- Grün ergänzte den bestehenden Wunschkatalog Berlins um mehr Geld für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sowie den Hauptstadtkulturfonds, außerdem um ein Konzept für die kulturelle Nachnutzung des Museumsstandorts Dahlem.

Öffentlicher Dienst

Für vier Sofort-Projekte (Reform der Bürgerämter, Schulsanierung, Unterbringung von Flüchtlingen und Ausbau der Radwege) werden jeweils fünf Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Bis Ende 2017 soll jeder Berliner ein Online-Servicekonto eröffnen können, über das er kommunale Dienstleistungen wahrnehmen kann. Außerdem will der Senat im nächsten Jahr ein Personalbedarfskonzept für die Landesverwaltung vorlegen und die Dauer einer Stellenbesetzung von durchschnittlich 38 auf 14 Wochen verkürzen. Ab 2017 müssen jedes Jahr 5000 bis 6000 Stellen in der Verwaltung neu besetzt werden. 1000 vakante Stellen bei der Polizei sollen „schnellstmöglich“ besetzt werden.

Und das will Rot-Rot-Grün bei Bildung, Verkehr, Energie, Gesundheit

Bildung

Als Übergangssystem zum inklusiven Schulsystem werden 36 Schulen bis zum Schuljahr 2020/21 die Möglichkeit erhalten, sich als inklusive Schwerpunktschulen zu profilieren. Der Fachbeirat „Inklusion“ wird wieder eingerichtet. Die Grundschulen sollen ab 2017/2018 einen Stundenpool für Team-, Schul- und Unterrichtsentwicklung erhalten, um Kollegien zu entlasten. Die Koalition könnte den Grundstock dafür legen, dass die Grundschullehrer künftig nach A13/E13 bezahlt werden. W-Lan soll für alle Schulen eingerichtet werden. Außerdem will Rot-Rot- Grün im Bildungsbereich diverse Konzepte erarbeiten.

Mobilität

Die Effizienz des Baustellenmanagements wird gesteigert. Das Organisationsgutachten für die Verkehrslenkung Berlin kann in den ersten 100 Tagen ausgewertet; daraus können „kurzfristig“ Schlussfolgerungen für die Reorganisation gezogen werden. Die Projekte ÖPNV-Beschleunigung und Verbesserung der Radwegeinfrastruktur sollen zügig vorangetrieben werden.

Die Koalition will bis Frühjahr 2017 unter Berücksichtigung von Zielen des „Volksentscheids Fahrrad“ einen Gesetzesentwurf für den Radverkehr vorlegen und einbringen. Dazu wird ein Dialog mit dem Volksentscheid Fahrrad und anderen Initiativen und Verbänden geführt. Es wird ein Bündnis für den Radverkehr geschaffen. Eine landeseigene Velo-GmbH wird gegründet, zunächst bei Grün Berlin angesiedelt. In den ersten 100 Tagen kann man eine Koordinierungsstelle Radverkehr einrichten.

Falsch- und Eckparken kann „konsequent“ geahndet werden, ein Sofortprogramm für mehr Barrierefreiheit und zur Gehwegsanierung kann zügig starten.

Um das Straßenbahnnetz zügig auszubauen, können Vorplanungen und Planfeststellungsverfahren für M 48 und M 85 sofort eingeleitet werden. Der Buseinstieg soll in der Hauptverkehrszeit grundsätzlich an allen Türen erlaubt werden. Das Berlin-Ticket S für Leistungsempfänger soll statt 36 künftig 25 Euro kosten. Das kann „zeitnah“ umgesetzt werden.

Wirtschaft

Eine Digitalisierungsstrategie für die Berliner Wirtschaft kann zeitnah entwickelt werden. Die Elektromobilität kann ausgebaut werden – durch mehr Ladesäulen (bis 2018 sollen 1000 Ladepunkte geschaffen werden). Das Vergabegesetz kann überarbeitet werden, der Mindestlohn soll im ersten Halbjahr 2017 auf neun Euro angehoben werden. Die Kooperation mit Brandenburg soll vertieft und unter anderem eine gemeinsame energiewirtschaftliche Strategie entwickelt werden. Rot-Rot- Grün hat angekündigt, dem Freihandelsabkommen Ceta nicht zuzustimmen.

Energie und Umwelt

Berlin will 2017 aus der Braunkohlenutzung aussteigen. Ein Steuerungskreis Energiewende wird eingerichtet, das Berliner Stadtwerk soll mehr Aufgaben und Geld erhalten. Rot-Rot-Grün will die Berliner Energieagentur übernehmen und kann dafür erste Gespräche führen. Ein Wärmegesetz kann auf den Weg gebracht werden.

Das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm soll zügig umgesetzt werden: Sechs Millionen Euro stehen 2017 zur Verfügung. Das Konzessionsverfahren zum Stromnetz soll zügig weitergeführt werden. Der Luftreinhalteplan soll unverzüglich umgesetzt werden. Der Fuhrpark wird auf emissionsarme Fahrzeuge umgestellt. 10 000 Bäume sollen bis 2012 gepflanzt werden.

Arbeit und Soziales

Die Koalition kann in den ersten 100 Tagen eine ressortübergreifende Strategie zur Bekämpfung von Armut auf den Weg bringen. Die AV Wohnen kann mit einem Neuanmietungszuschlag geändert werden. Die Basis kann geschaffen werden, um die 700 Plätze für die Kältehilfe wie geplant auf 1000 zu erweitern. Bis Mitte 2017 will die Koalition ein Konzept für die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen vorlegen. Groß- und Notunterkünfte sollen geschlossen werden, Flüchtlinge in Wohnungen untergebracht werden. Außerdem sollen Rückkehrprogramme aufgelegt werden.

Leben in der Metropole

Die Koalition will laut Vertrag in ihrem Sprechen und Handeln alle Formen des Sexismus vermeiden und diesem auch öffentlich entschieden entgegentreten. Familien- und Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen sowie das Beratungsangebot für Stalking-Opfer sollen ausgebaut werden. Projekte für Queer-Communities sollen gefördert werden. Ein Landesantidiskriminierungsgesetz soll eingeführt werden.

Sicherheit und Bürgerrechte

Rot-Rot-Grün will kriminalitätsbelastete Orte veröffentlichen. Proteste gegen Rechtsextremismus sollen „in Hör- und Sichtweite“ zugelassen werden.

Justiz und Verbraucherschutz

Das Abstimmungsgesetz wird dahingehend geändert, dass ein Volksentscheid zeitgleich mit Wahlen durchgeführt wird.

Gesundheit

Die Koalition startet die digitale Initiative „Pflege 4.0“ zur Verbesserung der Pflegequalität. Im Zuge einer liberalen Drogenpolitik soll es ein „Drug-Checking“ zur Verminderung der Begleitrisiken geben.

Gutes Regieren

Einmal im Monat tritt der Koalitionsausschuss zusammen. Rot-Rot-Grün will aktiv im Bundesrat auftreten.

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