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Berlin: Neue Nationalgalerie: Picasso und Newton lockten Heerscharen

"Immer det selbe", sagte sichtlich genervt einer von der Aufsicht in der Neuen Nationalgalerie, "am letzten Tag kommen die mit Kind und Kegel, manche scheinen das Gewühl regelrecht zu brauchen." Dem guten Mann standen Schweißperlen auf der Stirn - der Massenansturm auf das letzte Ausstellungswochenende mit Picasso und Newton hatte das Haus zu einer Sauna aufgeheizt.

"Immer det selbe", sagte sichtlich genervt einer von der Aufsicht in der Neuen Nationalgalerie, "am letzten Tag kommen die mit Kind und Kegel, manche scheinen das Gewühl regelrecht zu brauchen." Dem guten Mann standen Schweißperlen auf der Stirn - der Massenansturm auf das letzte Ausstellungswochenende mit Picasso und Newton hatte das Haus zu einer Sauna aufgeheizt.

Allein 15 000 Besucher waren es am vergangenen Sonnabend, gestern rechnete man mit nicht wesentlich weniger Andrang. "Und dabei ist es heute draußen so schön", blickte der Aufpasser sehnsüchtig über das Gewühl vor ihm hinweg auf den sonnigen Vorplatz. Dort standen die ersten Besucher gestern schon eine Stunde vor der Öffnung um 11 Uhr in einer Schlange bis zum Telefonhäuschen neben der Bushaltestelle am Kulturforum. Gegen 13 Uhr war oben in der Nationalgalerie nicht mehr zu übersehen, wohin sich die einzelnen Schlangen wanden, zur Kasse der Newton-Ausstellung, zu deren Eingang oder zur Garderobe. An der hatten die Garderobenfrauen nichts zu lachen, Berge von dicken Mänteln und unzähligen Rucksäcken (das scheinbar unentbehrliche Ausstellungs- und Demonstrationsutensil vieler Berliner) galt es zu verstauen oder bereits wieder auszugeben.

Da konnte man schon neidisch werden auf Newtons nackte Damen, deren Anblick vor allem weibliche Besucher erregte. "Typische Asiatin, untersetzt und kurzbeinig", ließ eine ihre Meinung über die abgebildeten Schönen laut werden. "Die da die Luft so einzieht, um den Busen rauszustrecken, sieht auch nicht besser aus, kuck mal die Riesenfüße", wollte auch die Freundin kunstverständig sein. Dass Naomi Campbell in Großaufnahme am Bauch Falten zeigte, verursachte vielen eine weiblich-diebische Freude, aber auch der Kanzler hatte nichts zu lachen. "Der ist ja wirklich klein", stellten Besucher vor dem lebensgroßen Bild Gerhard Schröders fest.

"Hunger", quengelte im Gewühl ein Dreikäsehoch. "Da haste ein Problem", machte ihm die junge Mutter wenig Hoffnung, "der Papa is noch bei die Nackigen." Nadja Auermann wurde gestern von vielen beneidet. Nicht um ihre nackten Endlosbeine, sondern um das bequeme Bett, auf dem sich das Model auf einem Foto rekelte, während sich die Besucher davor erschöpft und schwitzend durch die Ausstellung schoben.

Vor der "Umarmung" des Spaniers Picasso im Erdgeschoss war es noch voller als oben bei den "Big Nudes" des Berliners Helmut Newton - und die Luft war zum Schneiden. Zusätzlich nervte dort durchdringendes Fiepen in den überfüllten Räumen. Wer zu dicht an eines der 120 Bilder Pablo Picassos herantrat, um die mikroskopisch kleine Beschriftung daneben zu lesen, löste dieses Alarmgeräusch aus. Es störte scheinbar niemanden - andächtig wie in der Kirche drängten sich die Massen durch die Räume und versuchten die berühmten Bilder zu erspähen - durch das Gewühl zeitweilig ein fragwürdiges Unternehmen und nicht immer von Erfolg gekrönt.

Wer nach dem mühevoll erstandenen Kunstgenuss - von der Kassen- zu Garderoben- und danach zur Eingangsschlange - erschöpft im Café im Erdgeschoss niedersinken wollte, hatte auch Pech. Ein Anschlag am Eingang zum Café aber machte Hoffnung. "Sollte es Ihnen hier heute zu voll sein, empfehle ich Ihnen meine Cafetéria in der Gemäldegalerie (200 Meter von hier)", warb die Wirtin.

Am luftigsten war es gestern in den "Surrealen Welten", die die Stiftung Sammlung Dieter Scharf zur Erinnerung an Otto Gerstenberg zeigt. In dieser Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie wird es erst am 11. März 2001 voll - da ist sie letztmalig geöffnet.

Heidemarie Mazuhn

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