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Turm im Nacken. Günther Vieth und Marion Kokott Karliczek haben mit dem 30 Meter hohen Wahrzeichen von Frohnau noch viel vor. Ursrünglich diente er als Wasserturm, später als Ausflusziel mit Ausguck, aber auch das ist schon wieder Jahre her.

©  Paul Zinken

Neue Nutzungspläne: Frohnaus luftige Träume

Seit Jahren steht der Turm vom Ludolfingerplatz fast nutzlos herum. Ein Maler und eine Musikerin wollen ihn zum Kulturzentrum veredeln.

Manche Menschen sehen die Welt aus einem sehr speziellen Blickwinkel. Nehmen wir nur das Aussterben der Dinosaurier. „Es könnte ja sein, dass sie die Arche Noah verpasst haben, weil sie noch ihr Golfspiel beenden wollten“, sagt Günther Vieth, Karikaturist und Maler aus Frohnau. Auf zwei mal zwei Metern Leinwand hat er die Szene gemalt: Zwei Tyrannosauri Rex mit riesigen Schlägern, im Hintergrund ein Holzschiff voller Tiere.

Wenn es nach Günther Vieth und seiner Lebensgefährtin, der Musikerin Marion Kokott Karliczek, geht, soll das Bild bald im Casinoturm von Frohnau, dem Wahrzeichen des Ortsteils im Norden Berlins, ausgestellt werden. Andere Menschen mögen in dem 1909/10 erbauten Turm nur ein leerstehendes Gemäuer sehen, innen verbaut, voller Schutt und toter Fliegen. Vieth und Karliczek dagegen, 64 und 44 Jahre alt, sehen Gemälde und Konzerte, andere Künstler und Publikum, wenn sie die Treppen des Turms hinaufstapfen: Sie wollen aus dem Turm ein Kulturzentrum für Frohnau machen. Zur Hundertjahrfeier des Stadtteils 2010 hatten sie im ersten Stock ein Konzert organisiert. So kamen sie auf die Idee.

Seit vier Jahren leitet das Paar die „Schule für Kunst und Kommunikation“ in Frohnau – mit Popsongchor, Klassikorchester sowie Mal- und Musikunterricht. Dafür nutzen sie zurzeit noch einen Saal in einem Seniorenheim, den sie mit anderen teilen. Auch geben sie vier Mal im Jahr eine Zeitschrift heraus, in der sie ihre Arbeit vorstellen, über das Leben in Frohnau berichten und die sie an 10 000 Haushalte verteilen. „In der nächsten Ausgabe rufen wir alle Leser dazu auf, jeweils 9,50 Euro zu investieren“, sagt Karliczek. „Wenn das klappt, könnten wir die Restaurierung des Turms und die Miete für die nächsten zehn Jahre finanzieren.“ Viele Frohnauer, darunter der CDU-Abgeordnete Frank Steffel, zu dessen Wahlkreis Frohnau gehört, hätten schon signalisiert, dass sie auch mehr geben würden. „In zehn Jahren gibt es das Geld samt Zinsen zurück“, sagt Karliczek. „Man könnte hier Großes erreichen, wenn viele Bürger mitwirken.“

Vieth schließt die Tür zum Erdgeschoss des Turms auf: „Er gehört einer irischen Investmentgruppe, die zurzeit hauptsächlich an den Mieteinnahmen aus den Geschäften in den Nebengebäuden verdient“, sagt er. „Sie will auf keinen Fall verkaufen, aber die Verwaltung hat uns signalisiert, dass wir den Turm mieten können.“ Noch fehlen allerdings Genehmigungen, um wieder eine Gastronomie im Turm betreiben zu können. Im Erdgeschoss stellen sich die beiden eine Galerie mit Café vor. „Es gibt mehrere Gastronomen aus Frohnau, die sich beteiligen wollen – aber nur, wenn es tatsächlich ein Konzept mit Kunst und Kultur gibt“, sagt Vieth. „Auf dem Turm liegt nämlich eine Art Fluch: Alle Restaurants, Kneipen und Cafés hier drin haben nach kurzer Zeit Pleite gemacht.“ Zuletzt war im ersten Stock, wo die beiden ihren Konzertsaal einrichten wollen, eine Kneipe, „in die sich die meisten Frohnauer nicht mehr hineingetraut haben, weil sich dort Rocker von den Bandidos trafen.“ Auch die Stockwerke darüber haben eine zwielichtige Geschichte. Dort sei früher ein Bordell gewesen, erklärt Karliczek: „Ein Etablissement, wie wir in Frohnau sagen.“ Was aus diesen Etagen wird, wissen die beiden noch nicht. Es ist schwierig, bei dem Turm Brandschutz mit Denkmalschutz zu verbinden. Im fünften Stock sei einmal der Wasserspeicher gewesen, erklärt Vieth. Der Turm sei als Wasserturm erbaut, aber so nicht lange genutzt worden – stattdessen wurde er ein Ausflugsziel mit Café und Aussichtsplattform. Heute befindet sich im fünften Stock die Antenne eines Mobilfunkanbieters.

Bis zum Alexanderplatz, aber auch weit nach Brandenburg hinein kann man von hier aus bei klarem Wetter sehen: „Die Plattform ist seit mindestens 15 Jahren nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich“, sagt Karliczek und fängt ein bisschen an zu träumen. „Hach, im Sommer nach einem Konzert mit Champagner hier oben.“ Dann zeigt Vieth nach unten auf den Ludolfingerplatz mit seiner Wiese und erzählt von einem weiteren Projekt: Demnächst wollen sie dort in jedem Sommer ein Klassik-Festival veranstalten.

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