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Berlin: Neue Operationstechnik rettet Baby das Leben

Wegen einer Fehlbildung drohte Jacob zu ersticken. Einen Tag nach seiner Geburt wagten Ärzte des Klinikums Buch den Eingriff

Mit seinem ersten Atemzug begann Jacobs Leidensweg. Der Junge kam mit einer lebensgefährlichen Fehlbildung zur Welt: einem handtellergroßen Loch in seinem Zwerchfell, das normalerweise Brust- und Bauchraum voneinander trennt. Durch diese Lücke waren die meisten Organe aus dem Bauch, wie Magen, Milz, Dünn- und Dickdarm, in den Brustkorb gewandert. Und dort pressten sie die Lunge auf einen knapp kirschgroßen Rest zusammen. Nur durch eine in diesem Fall noch nie zuvor in Deutschland angewandte Operationsmethode retteten Mediziner des Helios-Klinikums in Buch vor wenigen Tagen das Leben des gerade erst 27 Stunden alten Säuglings.

Mit jedem Luftholen wurde die Lage für den Jungen dramatischer, denn der Unterdruck in der Lunge sog die anderen Organe noch näher heran. „Das Kind drohte zu ersticken“, sagt Klaus Schaarschmidt, Kinderchirurg am Helios-Klinikum. Zwei Stunden nach seiner Geburt in einem Krankenhaus, das über keinen eigenen Kinderchirurgen verfügte, kam Jacob nach Buch. „Er war ganz grau und blass“, sagt Schaarschmidt. Und wahrscheinlich empfand der Säugling massive Todesängste und Schmerzen. „Wir brauchten fast einen Tag, um ihn für die Operation zu stabilisieren.“

Schaarschmidt ist Spezialist für die so genannte Schlüsselloch-Chirurgie. Dabei operieren die Chirurgen mit Spezialwerkzeugen, die auf langen Stiften sitzen und über winzige Einschnitte in den Körper eingeführt werden. Der Arzt sieht sein Operationsfeld nur über einen Bildschirm. Die Bilder dazu liefert eine Kamera, die ebenfalls im Körper platziert wird. So ist die Operationswunde wesentlich kleiner, als bei herkömmlichen Eingriffen – und die Belastung für den Patienten geringer. Gerade für Babys wäre dies also ein kaum zu überschätzender Vorteil. Doch bei so winzigen Patienten, wie einem Neugeborenen, gibt es für diesen Weg bisher nur wenig Erfahrungen. Trotzdem wagten der Kinderchirurg und sein Anästhesist Jochen Strauß diese Operation. „Ich fragte mich, ob ich mir das auch bei meinem eigenen Kind zutrauen würde“, sagt Schaarschmidt. Er meinte ja und begann.

Behutsam bliesen die Operateure Kohlensäuregas in den Brustkorb des narkotisierten Jacob. Der Überdruck in der Brust drückte die Organe wieder in den Bauch zurück. Anschließend vernähten die Mediziner das Zwerchfell und entfalteten die Lungen des Kindes. Der Eingriff dauerte 65 Minuten.

Zum ersten Mal sei es in Deutschland gelungen, bei einem Neugeborenen das Zwerchfell ohne einen großen Bauch- oder Brustschnitt zu vernähen, sagt Schaarschmidt. Und das werde sicher Schule machen, auch wenn diese Fehlbildung selten ist. Sie komme einmal auf 5000 Geburten vor, in Berlin also jährlich rund sechs Mal.

Nur die drei kleinen Einstiche auf Jacobs Oberkörper zeugen von dem lebensrettenden Eingriff. Die künstliche Beatmung für den Jungen konnte schon nach zwei Tagen beendet werden. „Nach vier Tagen stillte ihn seine 33-jährige Mutter das erste Mal.“ Für den Arzt ein wichtiger Beweis, dass alles geklappt hat. „Das Saugen ist ein Härtetest für das Zwerchfell.“

Schaarschmidt kann seine Begeisterung kaum zügeln: „So einen durchschlagenden Erfolg habe ich nicht erwartet.“ Nach einer Woche konnte Jacob die Intensivstation am Donnerstag verlassen.

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