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Berlin: Neue Senatorin fordert mehr Mut

Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer stoppt Linden-Umbau und denkt über Topographie-Bau nach

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Die SPD-Politikerin Ingeborg Junge-Reyer ist neue Senatorin für Stadtentwicklung. Das Abgeordnetenhaus hat sie gestern mit 80 Stimmen gewählt. 45 Abgeordnete votierten gegen die bisherige Staatssekretärin; zwei enthielten sich. Da die SPD/PDS-Koalition im Parlament nur über 77 Sitze verfügt, müssen drei Abgeordnete aus der Opposition für Junge-Reyer gestimmt haben.

Vor der Wahl, die nach dem Rücktritt des Senators und SPD-Landeschefs Peter Strieder nötig wurde, kam es zu einem kurzen, aber heftigen Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition. Während der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Christian Gaebler dem Parteifreund Strieder für dessen fast neunjährige Regierungsarbeit dankte, bedauerte der CDU-Abgeordnete Karl-Georg Wellmann dessen Rücktritt aus ganz anderen Gründen. „Der Mann war Gold wert für uns.“ Die Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz sprach von einem „latenten personellen Auflösungsprozess der Koalition“. Anträge von CDU und Grünen, den vakanten Staatssekretärsposten von Junge-Reyer zu streichen und ein FDP-Antrag zur Auflösung des Stadtentwicklungsressorts wurden von SPD und PDS abgelehnt. Der PDS-Abgeordnete Gernot Klemm kritisierte das „populistische Gesülze“ der Opposition.

Noch bevor Junge-Reyer offiziell im Amt war, sickerte durch: Den Umbau des Boulevards Unter den Linden wird es mit ihr so bald nicht geben. Das Lieblingsprojekt ihres Vorgängers ist ihr nicht so wichtig. Zu viel Widerstand gab es in der Stadt, weil die meisten der 300 Linden hätten gefällt werden müssen, und auch, weil die veranschlagten 12,7 Millionen Euro vielleicht sinnvoller anderswo ausgegeben werden können. Junge-Reyer möchte nun bis 2010 warten. Dann muss Berlin mit dem Weiterbau der U5 beginnen und Teile des Boulevards werden deshalb ohnehin aufgegraben.

„Sehen, was zu machen ist“ – so beschrieb sie am Donnerstag nach der Wahl ihre Haltung beim Problemfall Topographie des Terrors. „Wir werden nochmal mit dem Architekten sprechen, ob die Topographie so gebaut werden kann“, sagte sie. Und weiter: „Der Architekt hat eine Verantwortung für den Kostenrahmen; er muss das Risiko beziffern können.“ Sie wolle sich jedoch bei einer Entscheidung nicht unter Zeitdruck setzen lassen, das führe nur dazu, „dass wir bei den Kosten erpressbar wären.“ Derzeit wolle sie sich nicht festlegen, ob sie am Entwurf des Architekten Zumthor festhält, oder nicht.

Die 57-jährige Junge-Reyer studierte an der Berliner Verwaltungsakademie, trat 1977 ins Bezirksamt Kreuzberg ein und wurde dort 1989 Stadträtin. Als Fachfrau für Sozialpolitik arbeitete sie bereits mit Peter Strieder (damals Bezirksbürgermeister) zusammen, der sie 2002 in seine Verwaltung als Staatssekretärin holte. Diesen Posten will sie nun mit ihrer Parteifreundin Hella Dunger-Löper besetzen und verteidigte ihre Entscheidung gegen Kritik der Opposition. Neben den großen Projekten der Stadtentwicklung wolle sie sich darum kümmern, dass sich die Menschen in ihren Kiezen wohl fühlen. „Wir müssen den Mut haben zu fragen: Was haben wir bislang falsch gemacht?“

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