zum Hauptinhalt
Symbolpolitik: Nach der staatlichen Einheit wurden viele Straßen, die nach Kommunisten und Antifaschisten hießen, umbenannt. Unser Bild zeigt verbogene Straßenschilder in Strausberg 1993.

© Imago

Neue Straßennamen nach dem Mauerfall: 1994: Clara Zetkin und Marx-Engels sollen verschwinden

Die Umbenennungskommission von Verkehrssenator Herwig Haase: Elf Straßen sollen ihre Namen ändern. Rosa Luxemburg darf bleiben.

Die Clara-Zetkin-Straße soll künftig wieder Dorotheenstraße heißen, der Marx-Engels-Platz wieder Schloßplatz und die Karl-Liebknecht-Straße zumindest teilweise Schinkelallee. Diesen Vorschlag machte die von Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) eingesetzte Unabhängige Kommission zur Straßenumbenennung in ihrem gestern vorgelegten Abschlußbericht. Die Kommission, der unter anderen die Historiker Arnulf Baring und Heinrich August Winkler angehören, hatte insgesamt 17 Straßen in Berlins historischer Mitte untersucht. Gerade in der Mitte der Bundeshauptstadt, die nicht nur den Berlinern, sondern allen Deutschen gehöre, gelte es, „historische Einseitigkeiten und Verfälschungen der SED zu korrigieren", heißt es in der Präambel des Berichts. Nach den Vorstellungen der Experten, die seit September vergangenen Jahres tagten, sollen sieben Straßen entweder ganz oder abschnittsweise neue Namen bekommen.

Die Kommission beschränkte sich auftragsgemäß auf Straßennamen im Bezirk Mitte, die noch aus der Zeit des SED-Regimes stammen. Die historische Mitte der Bundeshauptstadt gehöre nicht nur den Berlinern, sondern allen Deutschen. Das bedinge die Korrektur von "historischer Einseitigkeit und Verfälschungen" durch die SED. Das gelte für Namen von Politikern, die "aktiv an der Zerstörung der ersten deutschen Republik mitgewirkt oder nach 1933 die NS-Diktatur bekämpft haben um eine andere totalitäre Diktatur, die der Kommunisten, an ihre Stelle zu setzen." Im Abschlußbericht der Kommission steht, daß "einige Mitglieder" nachdrücklich dafür plädierten, die Grundsätze der Untersuchung "in allen Bezirken, auch im Westen Berlins zugrunde zu legen." Im Zusammenhang mit der Flurbereinigung der Straßennamen im ehemaligen Ost-Berlin kamen ja viele Hinweise auch auf umstrittene Straßennamen im ehemaligen West-Berlin.

Die Kommission .war sich zum Beispiel in der Empfehlung, die Clara-Zetkin-Straße in Dorotheenstraße rückzubenennen einig. Frau Zetkin habe die Parteidiktatur der Bolschewiki verteidigt, habe zwar auf Distanz zu "ultralinken Tendenzen" ihrer Partei, der KPD, gehalten, jedoch die Sowjetunion Stalins als Vorbild für Deutschland gesehen.

Bei der Empfehlung, den Bersarinplatz wieder in Baltenplatz rückzubenennen, .gab es innerhalb der Kommission auch abweichende Ansichten. Sie finden sich als "Minderheitenvotum" im Abschlußbericht. Bersarin, so heißt es da, erinnere an den ersten sowjetischen Stadtkommandanten, der 1945 bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war. Die Bennenung des Platzes nach ihm, 1947, sei lange vor Gründung der DDR erfolgt; der Beschluß des (Gesamt-)Berliner Magistrats trage denn auch die Unterschrift Louise Schröders.

Jede Empfehlung der Kommission wird ausführlich begründet. Sie ziele auf Zustimmung "einer breiten Mehrheit der Bürger", die mit Namen von Persönlichkeiten den Einsatz für eine "pluralistische, tolerante Demokratie" verbinden. Besondere Berücksichtigung finden bei der Kommission Namen aus der ersten deutschen Republik. So wird zum Beispiel empfohlen, die Hans-Beimler-Straße nach dem Preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun umzubenennen.

Bei Karl Liebknecht empfehlen die Ratgeber, die nach ihm benannte Straße von Unter den Linden bis Alexanderplatz in Schinkelallee umzubenennen, den Abschnitt vom Alexanderplatz bis zum Prenzlauer Tor als Karl-Liebknecht-Straße beizubehalten. So bekäme Berlin in seiner Mitte endlich eine Straße, die den Namen Karl Friedrich Schinkels trüge.

Ähnlich verfährt die Kommission mit Karl Marx. Dessen Allee von Alexanderplatz bis Straußberger Platz will sie Hegel gewidmet wissen, den Abschnitt der früheren Stalinallee soll Karl Marx behalten. Hingegen will sie den Marx-Engels-Platz wieder zum Schloßplatz gemacht haben. Nach Friedrich Engels sei ja eine Pankower Straße benannt.

Die umstrittene Niederkirchnerstraße, benannt nach der von den Nazis hingerichteten kommunistischen Widerstands Kämpferin, könne ohne Ehrabschneidung für Käthe Niederkirchner in Am Preußischen Landtag umbenannt werden, weil es ja bereits in Prenzlauer Berg eine Käthe-Niederkirchner-Straße gebe.

Verkehrssenator Haase äußerte sich zuversichtlich, daß nun keine Widerstände mehr aus dem Bezirksamt Mitte gegen die Empfehlungen kämen. Andernfalls betriebe die Senatsverwaltung entsprechende Entscheidungen. EKKEHARD SCHWERK

Ekkehard Schwerk

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false