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Berlin: Neue Vordenker in der SPD

Der Landesverband hat jetzt einen „Reformflügel“. Dort treffen sich viele junge Genossen aus Berlins neuer Mitte

In der Berliner SPD tut sich was. Eine neue Gruppierung, die sich „Aufbruch“ nennt, will mit „pragmatischen und undogmatischen“ Ideen der starken Parteilinken Konkurrenz machen. Ein Sammelbecken, nicht zuletzt junger Genossen, die seit dem Mauerfall aus dem übrigen Bundesgebiet in die Hauptstadt zogen. Aktive Leute, auch mit Berührungspunkten zur Bundespolitik, die mit den herkömmlichen Parteistrukturen nicht so viel anfangen können.

Im Mai 2006 gab es einen innerparteilichen Gründungsaufruf, vor der Wahl in Berlin wurde stillgehalten, aber jetzt will sich der „Aufbruch“ in die Bildung eines neuen Senats kräftig einmischen. „Merkposten für die Koalitionsverhandlungen“, heißt ein neunseitiges Positionspapier, das dem SPD-Landeschef Michael Müller nach dem Wahlsonntag in die Hand gedrückt wurde. Darin wird eine „Schulstrukturdebatte, auch über die Abschaffung der Hauptschule“ gefordert. Alle Schulformen müssten stärker berufsorientiert und Lehrer und Kita-Erzieher besser qualifiziert werden.

Auch bei der Integration von Migranten pflegt die SPD-Gruppierung, die besonders viele Mitglieder in Mitte, Pankow und Treptow-Köpenick hat, einen pragmatischen Ansatz. Deutsch lernen müsse verbindlich an den Aufenthaltsstatus geknüpft werden. Das gelte auch für Imame und Hodschas, die „großen Einfluss auf die geistige Entwicklung“ der Migranten ausübten. Gleichzeitig sollten die Einbürgerungsverfahren beschleunigt und für langjährig Geduldete eine Altfallregelung geschaffen werden.

Der „Aufbruch“ setzt sich, im Gegensatz zur SPD-Linken, für die private Finanzierung öffentlicher Investitionen ein, selbst bei der Sanierung von Schulen und Sportstätten. Zur Erfüllung von Aufgaben im öffentlichen Bereich sollten „unbegrenzt Ein-Euro-Jobs“ eingerichtet werden, wenn sich der Senat und die Bezirke verpflichteten, mindestens drei Jahre die Haushaltsansätze für Bauunterhaltung und Grünpflege nicht zu kürzen. Zum Forderungskatalog gehört auch die Stärkung der inneren Sicherheit. Zum Beispiel durch eine zusätzliche Videoüberwachung in Bus und U-Bahn.

Weitere Vorschläge sind: Die schnelle Anbindung des Hauptbahnhofs an die U-Bahnlinie 5, preiswerte, attraktive Grundstücke für junge Familien in der Stadt, bezirkliche Jobläden und der Ausbau der Kitas zu „Familienzentren“. Und als Sahnehäubchen eine „Kunsthalle auf Basis einer privaten Stiftung“.

Am Mittwochabend lud der „Aufbruch“ zum ersten Mal zu einer größeren Diskussionsveranstaltung ein – Thema: Koalitionsbildung in den Ländern und Wandel der Großparteien. „Wir sind eine bunte Mischung“, sagt Gründungsmitglied Arne Grimm, Berliner Büroleiter der Werbeagentur Butter, die schon mehrere SPD-Wahlkämpfe betreut hat. In Berlins SPD seien viele Talente verborgen. „Wir wären bekloppt, wenn wir diesen Schatz nicht heben“, meint Grimm. Nachfolger des „Britzer Kreises“, der traditionellen SPD-Rechten, die sich im Frühjahr aufgelöst hat, wolle man nicht sein. „Reformflügel wäre der richtige Begriff“, sagt Grimm. Der „Aufbruch“ wolle nicht nur die Landespartei voranbringen, sondern auch in der Bundespolitik stärker mitreden.

Der neuen Strömung gehört ein Drittel der neuen SPD-Abgeordnetenhausfraktion an. Zu den Gründern des „Aufbruch“ zählen unter anderem der 28-jährige Politologe Tom Schreiber, die 33-jährige Liv Assmann, Büroleiterin des SPD-Bundesgeschäftsführers oder Peter Treichel, Referent beim SPD-Parteivorstand. za

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