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Berlin: Neue Wege nach Amerika

Frischer Wind auf Schwanenwerder: Jeff Gedmin, der neue Direktor des Aspen-Instituts könnte auf unvorbereitete Besucher die Wirkung eines extrascharfen Pfefferminzbonbons entfalten. Dem schlanken 43-jährigen mit dem leicht graumelierten dunklen Haar merkt man nicht an, dass er einen großen Teil seiner Karriere in Think Tanks verbracht hat, die Energie, die er ausstrahlt, knistert wie eine gerade entfachte Feuerstelle.

Frischer Wind auf Schwanenwerder: Jeff Gedmin, der neue Direktor des Aspen-Instituts könnte auf unvorbereitete Besucher die Wirkung eines extrascharfen Pfefferminzbonbons entfalten. Dem schlanken 43-jährigen mit dem leicht graumelierten dunklen Haar merkt man nicht an, dass er einen großen Teil seiner Karriere in Think Tanks verbracht hat, die Energie, die er ausstrahlt, knistert wie eine gerade entfachte Feuerstelle. "Fehlende Konkurrenz ist das beste Rezept für Misserfolg", lautet einer der markigen Sätze des Bilderbuch-Yuppies. Andere deutsch-amerikanische Institutionen in der Stadt könnten die Herausforderung bald zu spüren bekommen.

Drei Job-Angebote der Bush-Regierung hatte der konservative Demokrat ("Hier würde ich wahrscheinlich zum rechten Flügel der SPD gehören") ausgeschlagen, bevor ihn die Aufgabe reizte, das Aspen-Institut wieder auf Trab zu bringen. Er war auch früher schon mal in Berlin, aber immer nur jeweils für ein paar Tage. Jeff Gedmin liebt es, Reisen zu organieren für Politiker und Intellektuelle. Wenn er Diskussionen veranstaltet, dann gern an Brennpunkten im globalen Dorf. Die "New Atlantic Initiative", deren Direktor er ebenfalls ist, konferierte unter anderem in Sarajewo, Tel Aviv und Istanbul; für Indien plant er gerade eine Konferenz über wirtschaftliche Zusammenarbeit in Asien. "Egal wie alt oder wie weise man ist, es gibt keine Alternative zu Field Trips", sagt er in Anspielung auf die amerikanischen Schulausflüge zu Studienzwecken. Die "New Atlantic Initiative" will er nun mit dem Aspen-Institut fusionieren, um Kräfte zu bündeln.

Noch kaum angekommen, unterbricht er das Interview immer wieder mit eigenen Fragen. Ein Debattenforum in der Innenstadt will er ins Leben rufen. "Kampf gegen den Terrorismus: Sollte nach Afghanistan Irak als nächstes dran sein?" lautet das erste Thema. "Welche Diskussionsteilnehmer würden möglichst kontroverse Thesen entwickeln," fragt er. Wie erreicht man breite Schichten? Dann sprudelt er seine Ideen hervor. Sam Huntington ("Clash of Civilisations) möchte er gern nach Berlin holen, oder Benjamin Netanjahu." Ein Sommerprogramm muss her. Ob er es wohl schafft, seine Lieblings-Country-Band, die Dixie Chicks, zu einer Fourth-of-July-Party nach Berlin zu holen? Die bislang existierende Aspen-Vorschau, die etwa für Juli lediglich das "Congressional Staffers Program - Roundtable in Washington" vorsieht, wird künftig wohl mehr Papier verschlingen. So viel Unternehmungsgeist war hier lange nicht zu spüren.

Das Aspen-Institut, gegründet 1974 mit dem Ziel, als unabhängige und überparteiliche Organisation an der Verbesserung der transatlantischen Beziehungen mitzuwirken, hat sich nach dem Ende des Kalten Krieges zu einer streckenweise etwas verschlafenen Angelegenheit entwickelt, eine Art ruhendes Netzwerk in seligem Angedenken an den legendären Gründungsdirektor Shepard Stone. Im übermächtigen Schatten der American Academy, die in den letzten Jahren eine ganz erstaunliche intellektuelle Strahlkraft entwickelte, geriet es etwas aus dem Blickfeld. Das scheint sich nun wieder zu ändern.

Workaholism ist wohl Jeff Gedmins schlimmstes Laster, wenn man Selbstbewusstsein nicht als Laster zählt. Seine Kaffeesucht hat er sich vor einigen Jahren zugunsten von Tee abgewöhnt. Er nennt sich selbst einen "frühen Vogel". Morgens um viertel vor sechs sitzt er in seinem Büro, und die Stunden bis neun sind ihm die liebsten: "Dann könnte ich die Welt erobern", schwärmt er mit ausgebreiteten Armen. Bis die Mitarbeiter mit müden Gesichtern und Kaffeebechern eintrudelten, hatte er bereits hundert E-Mails geschrieben, ein Buchkapitel verfasst und mit Tokio oder London telefoniert. So war das in Washington. "Mal sehen, was sich hier ändern wird."

Noch ist er auf Wohnungssuche, pendelt alle acht bis zehn Tage zwischen Washington und Berlin. Sobald der Umzug vollzogen und auch die Katze Digit heil über den Atlantik gebracht ist, will er das auf einmal monatlich reduzieren. Die Regale in seinem Büro mit Wasserblick sind noch leer, aber auf dem Schreibtisch blinken ein Computer und ein Laptop um die Wette. Die Kontakte ins Weiße Haus will er weiterhin pflegen.

Jeff Gedmins Karriere in der amerikanischen Hauptstadt begann einst völlig unpolitisch: als Chorleiter im State Department. Ursprünglich war er musikbegeistert "für alles zwischen Rolling Stones und Mozart". Das Musikstudium führte ihn für ein Jahr nach Salzburg. Bei Reisen ergriff ihn eine zunehmende Faszination für osteuropäische Länder. Damals, Ende der 70er Jahre, stellte er fest, dass "Sozialismus doch nicht so perfekt war."

Von einem Studenten, der "links, links, links" war, entwickelte er sich zum "antikommunistischen Kreuzritter". Das war das Aus für den Mann am Klavier. Von nun an bestimmte die Außenpolitik sein Leben. Während er als High-School-Lehrer jobbte, promovierte er an der Georgetown University. Dann kamen die Jahre im American Enterprise Institute für politische Forschung. Fragt man ihn, wer in seiner Ägide wahrscheinlich die ärgsten Konkurrenten des Aspen-Institutes sein werden, führt er eine recht beeindruckende Liste auf, vom Bundeskanzleramt bis zur Botschaft: eigentlich jeder, der sich zu Wort meldet.

Kein Wunder, dass wenig Zeit für Privates bleibt. Seine sportlichen Aktivitäten beschränken sich aufs Kickboxen; auch sämtliche Ballsportarten fesseln ihn, allerdings nur als Zuschauer. Noch ein Laster nennt er zum Schluss: Er geht gern ins Kino, aber nicht in Kritiker-Filme, und (nach den Reisen in Krisengebiete) schon gar nicht in Kriegs-und Problemfilme. Ihm gefallen klassische amerikanische Unterhaltungsfilme, gern romantische Komödien. So wie er wirkt, dürfte es ihm nicht schwer fallen, auch solche Field Trips angemessen zu besetzen. Wenn bei dem Sturm der Themen, die in seinem Kopf herumwirbeln, überhaupt noch Zeit dafür bleibt.

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