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Berlin: Neue Welt, alte Rechnungen

Der Berliner Traditionsklub Tennis Borussia kämpft in der Fußball-Oberliga ums Überleben und greift zu drastischen Sparmaßnahmen

Von Karsten Doneck, dpa

Mit versteinerten Gesichtern saßen die Spieler da. Was sie zu hören bekamen, konnte auch keine Freude auslösen, wurde ihnen doch von der Vereinsführung die Senkung der Grundgehälter verkündet. Und auch die Höhe der Siegprämien richtet sich in Zukunft nur noch nach den Zuschauerzahlen, und die sind in der Fußball-Oberliga sehr bescheiden. Überlebensstrategien in der vierten Liga: Tennis Borussia, kurz vor der Jahrtausendwende noch der mit Abstand kapitalkräftigste deutsche Zweitligist, kämpft derzeit um die traditionsreiche Existenz und kürzt deshalb seine Personalkosten für die Rückrunde um 50 Prozent.

„Seit Anfang Januar ist bei uns eine neue Welt“, sagt Axel Lange, der Vorsitzende des Aufsichtsrates. Und in dieser neuen TeBe- Welt herrscht erst einmal Armut. Die Saison begonnen hatte TeBe mit einem Etat von 500 000 Euro. Doch schon Ende November gab das Präsidium auf der Mitgliederversammlung bekannt, dass eine Etatunterdeckung vorliege, und zwar in Höhe von 157000 Euro. Für einen Oberligisten ist das ein existenzbedrohendes Minus. Ein rigider Sparkurs wurde also ausgerufen. Die TeBe-Mitglieder wurden aufgefordert, einmalig 150 Euro pro Person zu spenden, „damit der Spielbetrieb des Vereins in vollem Umfang aufrechterhalten werden kann und die Existenz des Vereins nicht gefährdet wird“, wie Präsident Klaus Schumann sagte.

Teurer Kirjakow

Die dramatische Situation hat sich inzwischen leicht entspannt. Axel Lange beziffert das aktuelle Defizit mit „um die 50 000 Euro, dabei sind die Einsparungen bei den Personalkosten bis Saisonende schon eingerechnet“. Angeblich müssen sich die Spieler nun mit Grundgehältern zwischen 200 und 300 Euro monatlich begnügen. Sie grollen, zeigen aber für die Notlage der Borussen Verständnis. Was sollen sie auch anderes tun? Selbst in höherklassigen Vereinen sieht es wirtschaftlich oft noch finsterer aus, und die gut dotierten Arbeitsplätze werden im bezahlten Fußball ohnehin knapper.

Nach dem Ausstieg der „Göttinger Gruppe“ vor zwei Jahren zu Regionalliga-Zeiten – der Finanz- und Versicherungskonzern hatte sich den Klub nach Gutsherrenart untertan gemacht und in fünf Jahren rund 70 Millionen Mark investiert – schien Tennis Borussia noch mal finanziell auf die Beine zu kommen. Für 2,6 Millionen Mark verscherbelten die Borussen ihr nach dem Mauerfall zurückerhaltenes vereinseigenes Grundstück in Niederschönhausen. Eine Stange Geld floss da in die Kasse. Aber TeBe musste die Summe dafür verwenden, alte Rechnungen aus der Zeit der „Göttinger Gruppe“ zu begleichen. Ein Beispiel: Sergej Kirjakow, ein ziemlich abgetakelter Stürmer, klagte übers Gericht 720 000 Mark Abfindung ein. In der vorigen Woche meldete sich auch der Anwalt des früheren Torwarttrainers Hruska. Dessen Forderung: 20 000 Euro. „Das sind diese katastrophalen Nachwehen aus der Zeit der Göttinger Gruppe“, stöhnt Axel Lange und klagt über die Ungerechtigkeit, dass TeBe für einen Sergej Kirjakow zwar kräftig zur Kasse gebeten wurde, aber ein Stürmertalent wie Christian Tiffert ohne entsprechenden Gegenwert zum Bundesligisten VfB Stuttgart ziehen lassen musste. „Und der Denis Lapaczinski wechselt für vier Millionen Mark von Reutlingen zu Hertha BSC“, ergänzt Vorstandsmitglied Peter Anthony mit unverhohlener Verärgerung.

Schwer zu vermarkten

Bei aller Geldknappheit gönnte sich Tennis Borussia zur Winterpause noch einen Ex-Profi als Verstärkung: Christian Fährmann (früher Hertha BSC, 1. FC Union). Axel Lange finanziert das Gehalt dieses Spieler aus seiner Privatkasse. Mehr Geld als die anderen TeBe-Spieler soll Fährmann nicht verlangen. Ihn treibt angeblich überwiegend der sportliche Ehrgeiz. „Der will es den Leuten noch mal zeigen“, sagt Lange.

Trotz leerer Kassen: Die Borussen denken schon fleißig über ihre Zukunft nach. Konkursgefahr? Nichts da: Die Verantwortlichen arbeiten derzeit an einem Lizenzantrag für die Regionalliga, „allein schon deshalb, um zu zeigen, dass wir sauber sind und anständig arbeiten“, sagt Peter Anthony. Der Hotelier gilt als designierter Nachfolger des bald aus dem Amt scheidenden Präsidenten Klaus Schumann. Eine leichte Aufgabe übernimmt Anthony gewiss nicht. Klaus Schumann ahnt, dass sich die finanzielle Lage des Klubs in absehbarer Zeit nicht spürbar ändern wird. „Es ist kaum machbar, einen Viertligisten vernünftig zu vermarkten.“

Und die Lizenz für die Regionalliga? Sollte die nicht erteilt werden, wird TeBe das leichten Herzens verschmerzen. Die Mannschaft hinkt nämlich als Tabellenvierter dem Spitzenreiter FC Schönberg schon mit sieben Punkten Abstand hinterher.

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