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Auf Kontaktsuche. Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) spricht im Sana-Klinikum Lichtenberg mit einem Geriatrie-Patienten. Der Senator hat mehr Betten und höhere Standards in den Krankenhäusern angekündigt.

© dpa, Wolfgang Kumm

Neuer Berliner Krankenhausplan: Mehr Geld, Betten und Personal für die Gesundheit

Senator Czaja hat Pläne: Mehr Pflegekräfte für Intensivstationen, mehr Personal für überlaufene Rettungsstellen. Kritiker sprechen von "Luftnummern".

Über Monate hat man den Gesundheits- und Sozialsenator in der Öffentlichkeit ernst, zuweilen fast demütig gesehen. Nun, als er am Donnerstag im Lichtenberger Sana-Klinikum den Landeskrankenhausplan vorstellte, war Mario Czaja (CDU) fröhlich, fast schon keck: Zu Recht, sagte Czaja, fordere die Opposition mehr Geld für die Kliniken, er habe das unter dem rot-roten Vorgängersenat auch getan – nur setze er das selbst Geforderte eben auch um. Und so referierte Czaja munter los: Mehr Betten, mehr Altersmedizin, mehr Rettungswesen – die wachsende Stadt rüstet krankenhausmäßig auf.

Viele der neuen Betten erhalten die Geriatrie-Stationen

De facto bekommt Berlin 600 Krankenhausbetten mehr, bald werden es 22 000 in den 51 für die Landesversorgung relevanten Kliniken der Stadt sein. Die Berliner werden im Schnitt älter, deshalb sollen allein 300 der neuen Betten in Geriatrie-Stationen eingerichtet werden. Die Rettungsstellen sind überlaufen, nun sollen sich die Ärzte dort zum Notfall- und Akutmediziner weiterbilden lassen, um ernste von weniger ernsten Fällen künftig besser unterscheiden zu können. Diese Ausbildung wird erst seit kurzem und bislang nur in Berlin angeboten. Auf Intensivstationen soll zudem eine Pflegekraft pro Schicht nur noch zwei Patienten versorgen, bislang sind es oft vier Kranke.

Auch die ständige Überlastung der Notaufnahmen soll ein Ende haben. Hier dre Eingang zur Rettungsstelle der Charite in Mitte.
Auch die ständige Überlastung der Notaufnahmen soll ein Ende haben. Hier dre Eingang zur Rettungsstelle der Charite in Mitte.

© IMAGO

Als Gesundheitssenator fühlt sich Czaja wohl; dass er als Sozialsenator auch für den Ärger um die Flüchtlingsheime zuständig ist, schien am Donnerstag für einen Moment vergessen. Sana-Chefarzt Eric Hilf, der auch dem Landesverband Geriatrie vorsteht, kam aus dem Schwärmen kaum heraus: „Mit diesem Krankenhausplan werden wir bundesweit Beachtung finden.“ Über die Betten sei man schon deshalb froh, weil man in der Lichtenberger Geriatrie fast eine 100-Prozent-Auslastung habe.

Die Partei "Die Linke" spricht von Luftnummern

Doch auch die Kritiker reagierten: Czaja biete viel Lyrik und wenig Substanz, sagte Gesundheitsexperte Wolfgang Albers (Linke). Die Qualitätsvorgaben „entpuppen sich bei näherer Betrachtung als Luftnummern“, die Mindestbesetzungen seien vage Empfehlungen – keine verbindlichen Vorgaben. Und trotz der empfohlenen Aufstockung auf den Intensivstationen lasse der Krankenhausplan zu, dass dort nur 30 Prozent des Personals eigens für die Intensivpflege ausgebildet sein müssen. Und von wegen mehr Geld: Die Kliniken müssten ihre maroden Bauten nach wie vor aus den Krankenkassenmitteln finanzieren.

Hamburg investiert wesentlich mehr Geld pro Krankenbett als Berlin

Da hat Albers, nach allem was aus den Kliniken zu hören ist, Recht. Eigentlich sieht das Gesetz vor: Die Bundesländer finanzieren Gebäude und Technik, die Versicherungen das Personal, Energie und Arzneimittel. Doch sauber getrennt wurde in der Praxis nie. Weshalb die Berliner Krankenhausgesellschaft kürzlich erklärte: Aufgrund des „im Bundesvergleich erheblichen investiven Nachholbedarfs“ brauche Berlin eine neue Investitionsstrategie. Immerhin: 2013 wurden in Berlin noch 3800 Euro im Jahr pro Krankenbett investiert, heute sind es 6300 Euro. Allerdings waren es in Hamburg zuletzt rund 10 000 Euro.

Bessere Finanzaussichten. Auch die Vivantes-Kliniken, hier das Krankenhaus Neukölln, sollen vom neuen Krankenhausplan profitieren.
Bessere Finanzaussichten. Auch die Vivantes-Kliniken, hier das Krankenhaus Neukölln, sollen vom neuen Krankenhausplan profitieren.

© Kitty Kleist-Heinrich

Über klamme Finanzen hatte zuletzt auch die Spitze der landeseigenen Vivantes-Kliniken geklagt. Weil die Krankenhausreform der Bundesregierung zu Obergrenzen für bestimmte Eingriffe führt, müsse man im wachsenden Berlin mit Verlusten rechnen. Umso wichtiger dürfte sein, dass nun nicht mehr nur Landesmittel fließen – wenn auch wenig im Vergleich zu Hamburg. Vivantes und die ebenfalls landeseigene Charité bekommen unabhängig davon Geld von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder: Das ist eine Versorgungseinrichtung für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, eine Art Rentenkasse, die 15 Millionen Euro an Vivantes und mehr als 20 Millionen Euro an die Universitätsklinik ausschütten wird. Diese Mittel werden die Beschäftigten in den Berliner Kliniken aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele der Ankündigen vom Donnerstag nur zögerlich umgesetzt werden. Die Personalvorgaben sind eben oft nur Empfehlungen, auch wenn Senator Czaja sagte, er selbst fordere feste Quoten – meist also mehr Personal – auf allen Stationen. Dies allerdings sei eine Frage der Bundespolitik.

Die Kassen begrüßen die neue Hygienekommission

Verhaltenes Lob kam am Donnerstag von den Krankenkassen. Die Techniker Krankenkasse (TK) forderte zwar mehr Investitionen des Landes in die Kliniken. Die Kasse teilte aber mit, man begrüße etwa den angekündigten Einsatz von Hygienekommissionen. Zum Schutz vor Klinikinfektionen, die auch in Berlin ausbrachen, muss jedes Krankenhaus mit mehr als 400 Betten eine Hygienekommission aufstellen und einen Krankenhaushygieniker beschäftigen.

Zentraler Ansprechpartner für die Kliniken ist neben Czaja vor allem Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD). Er verwaltet nicht nur die Landesmittel, sondern sitzt in den Aufsichtsräten von Charité und Vivantes. Beamte beider Senatsverwaltungen bestätigten, trotz der Zerwürfnisse in der SPD-CDU-Koalition und des anstehenden Wahlkampfes arbeiteten Czaja und Kollatz-Ahnen fast reibungsfrei zusammen. Das Abgeordnetenhaus muss der Senat nicht fürchten. Der Krankenhausplan ist ein Verwaltungsakt, kein Gesetz, über das noch abgestimmt werden müsste.

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