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Berlin: Neuer Waffenschein überfordert Polizei Gründliche Prüfung der Antragsteller ist kaum möglich

Wie weit es von der Theorie zur Praxis sein kann, zeigt sich derzeit am neuen Waffengesetz. Das schreibt seit April vor, dass Personen, die einen Waffenschein beantragen, wesentlich gründlicher auf persönliche Eignung und Zuverlässigkeit überprüft werden müssen als bisher.

Wie weit es von der Theorie zur Praxis sein kann, zeigt sich derzeit am neuen Waffengesetz. Das schreibt seit April vor, dass Personen, die einen Waffenschein beantragen, wesentlich gründlicher auf persönliche Eignung und Zuverlässigkeit überprüft werden müssen als bisher. Zudem wurde auch die Zahl der Antragsteller größer, denn für Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen ist seitdem der so genannte „kleine Waffenschein“ Pflicht. Die Eignungs-Nachweise bereiten der Polizei offenbar erhebliche Schwierigkeiten. In einem internen Schreiben an alle Polizeidirektionen, das dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es: „Eine stadtweit einheitliche Bearbeitung ist nicht realisierbar.“

Für die „waffenrechtlichen Erlaubnisse“ veranlassen die Beamten im Landeskriminalamt zunächst Regelanfragen im Bundeszentralregister, in den Polizeidateien, bei der Staatsanwaltschaft und beim Landeseinwohneramt. Ergeben sich keine nachteiligen Eintragungen, die eine Ablehnung des Waffenscheinantrags begründen, geht die Anfrage seit April zusätzlich in den Polizeiabschnitt, in dem der Antragsteller wohnt. Per Vordruck werden die dortigen Kollegen gefragt, ob über den Antragsteller in den letzten fünf Jahren „Tatsachen bekannt sind“, die gegen eine Erlaubniserteilung sprechen könnten. Etwa Trunkenheitsfahrten, Gewalttätigkeiten in der Familie, psychische Erkrankungen, Alkohol- und Medikamentenabhängigkeiten oder die Mitgliedschaft in einer verbotenen Vereinigung. Diese Aussagen können die Beamten aber nur machen, wenn etwas aktenkundig wurde. Doch dann sind die Daten über viele Orte verstreut: Verkehrsdelikte werden dort bearbeitet, wo sie stattfinden, um Extremisten kümmert sich der Verfassungsschutz, Schläger werden meist bei der Polizeidirektion in Gewahrsam genommen, über psychisch Kranke oder Abhängige, die nicht polizeilich auffällig sind, können nur Bezirks- oder Gesundheitsämter Auskunft geben. Also tragen die Abschnittsbeamten meist „Es liegen keine Erkenntnisse vor“ in die Anfragebögen ein – und bekümmern sich mit der Frage, ob sie im späteren Konfliktfall für diese Auskunft den Kopf hinhalten müssen.

Otto Diederichs

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