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Berlin: Neues Berlin für ältere Menschen

Die Zahl der Rentner wird in der Zukunft deutlich zunehmen. Architekten plädieren deshalb für einen Umbau der Stadt

Alle reden von den Problemen einer alternden Gesellschaft. Er möchte helfen, sie zu lösen: Der Architekt Albert Speer plädiert für altersgerechte Städte. „Wenn es stimmt, dass im Jahre 2050 vierzig Prozent der Bevölkerung über sechzig sein werden, müssen die Städte mehr Rücksicht auf ältere Menschen nehmen“, sagt Speer. „Man darf alte Menschen nicht wie früher in Heime irgendwo auf der grünen Wiese abschieben, sondern muss ihnen genügend Platz in den Zentren einräumen. Damit werden die Innenstädte auch wieder belebter und attraktiver“, glaubt der renommierte Stadtplaner.

Eine noch unveröffentlichte Bevölkerungs-Prognose der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bestätigt, dass es künftig deutlich mehr ältere Berliner geben wird. „Die Gruppe der Über-65-Jährigen wird bei ansonsten gleichbleibender Bevölkerungszahl extrem wachsen“, sagt Abteilungsleiter Dietrich Flicke. In Marzahn zum Beispiel werde sich die Zahl der Alten in den nächsten zehn Jahren verdoppeln. Um zu verhindern, dass Ältere ins grüne Umland ziehen, muss die Stadt für sie attraktiver werden.

„In Berlin ist eigentlich genügend Platz“, sagt Rainer Bohne, Geschäftsführer der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL). Die vorhandene Fläche müsse aber besser genutzt werden. Für den Stadtplaner ist es beispielsweise unverständlich, dass Ku’damm und Tauentzienstraße für Autos größtenteils immer noch zweispurig befahrbar sind. „Stattdessen sollte man den Gehweg verbreitern und ab und zu mal eine Bank hinstellen. Das wäre gerade für ältere Menschen viel angenehmer und auch nicht teuer“, sagt der Architekt. Außerdem müssten viel mehr altersgerechte Wohnungen „mittendrin“ entstehen. „Es ist ein Irrglaube, dass alte Menschen ihre Ruhe haben wollen.“ Die Bauordnung Berlins sehe eigentlich vor, dass jedes Haus mit mehr als drei Wohnungen behinderten- und damit altersgerecht gebaut werde. „Davon sind wir noch weit entfernt“, sagt Bohne. Die geplante Neufassung der Bauordnung müsse diese Vorgabe noch strenger formulieren.

Der Architekt hat viele Ideen, um den Alltag der Berliner Senioren angenehmer zu machen. Nicht alle sind kostspielig. So sollten Kaufhäuser Waren für ältere Kunden besser platzieren. Meistens bräuchten sie sehr lange, um ihre Einkäufe zu finden. Preise müssten sichtbarer ausgezeichnet und Bringdienste angeboten werden, fordert Bohne. Auch auf ältere Verkehrsteilnehmer müsse stärker Rücksicht genommen werden. Ampeln seien oft nicht auf gehbehinderte Menschen eingestellt und auch der Einstieg in Busse – dem wichtigsten Verkehrsmittel alter Menschen – sei zu schwierig. Bahnsteige müssten an die Höhe der Trittbretter der Züge angepasst werden und natürlich bräuchte man mehr Aufzüge. Komplett barrierefreies Bauen fordert die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Claudia Hämmerling: „Es ist ärgerlich, dass während des Baubooms ignoriert wurde, dass die Alterspyramide schon bald Kopf stehen würde.“ Ein gelungenes Beispiel für Stadtplanung ist in ihren Augen Karow-Nord. Bei der Ende der neunziger Jahre entstandenen Vorstadt im Nordosten Berlins wurden zehn Prozent der Wohnungen barrierefrei gebaut. Vergleichbares wird in naher Zukunft nicht entstehen. In Berlin fehlt das Geld. „Ein Umbau, wie von Speer gefordert, wird es hier in den nächsten Jahren nicht geben“, glaubt Hämmerling. Rainer Bohne findet Berlin ansonsten aber vergleichsweise vorbildlich. „Die polyzentrale Struktur – Berlin besteht ja im Grunde aus mehreren Dörfern – ist für die ältere Generation attraktiv“, sagt Bohne. Kurze Wege, belebte Zentren – Bohne ist sich mit Albert Speer einig: „Das ist das Leitbild für die Städte der Zukunft.“

Juliane Schäuble

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