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Fest gebunden. Günther Stelly (rechts) und Jan-Hendrik Scheper-Stuke in ihrem neuen Laden in Mitte.

© Doris Spiekermann-Klaas

Neues Krawatten-Label in Berlin: Früher Edsor Kronen, jetzt Auerbach Berlin

Nach jahrelangem Ärger mit Investoren hat das ehemalige Team von Edsor Kronen ein neues Label gegründet: Auerbach Berlin mit Sitz am Hackeschen Markt.

Der 9. Februar 2015 wird für Günther Stelly und Jan-Hendrik Scheper-Stuke immer ein magisches Datum bleiben. An diesem Tag haben die beiden Krawattenexperten alle Schrecken geschäftlicher Fehlentscheidungen im Zusammenhang mit ihrem einstigen Unternehmen Edsor Kronen hinter sich gelassen und ein neues gegründet: Auerbach Berlin. Sieben Monate später feierten sie Eröffnung in den Hackeschen Höfen, der Regierende Bürgermeister hielt eine Rede, KPM-Nachbar Jörg Woltmann brachte einen Porzellanbieber vorbei. Beide tragen natürlich Auerbach-Schleifen. Und beide stehen symbolhaft dafür, wie man schlimme Zeiten mit Solidarität überwinden kann.

Das alte Geschäft mussten sie schweren Herzens aufgeben

Designer Günther Stelly war einst der kreative Kopf des traditionsreichen Kreuzberger Unternehmens Edsor Kronen, das er von seinem Vater übernommen hatte. Vor sechs Jahren holte er seinen quirligen Patensohn als Geschäftsführer ins Unternehmen. Dessen Konterfei fiel bei Berliner Empfängen der Modeszene immer wieder auf, wurde zum Aushängeschild. Irgendwann ließ sich der studierte Betriebswirtschaftler auf die Verlockungen eines, wie er heute sagt, Scheininvestors ein, der ihm später wie eine boshafte Heuschrecke begegnete. „Schlimmer als das“, sagt Günther Stelly und zieht sich für einen Moment zurück. Er mag die Geschichte nicht noch einmal hören: von falschen Versprechungen, Erpressungen, von Schulden, ausbleibenden Zahlungen. Das Fachblatt „Textilwirtschaft“ sprach gar vom „Krieg der Krawatten“.

Ein befreundeter Anwalt gab schließlich den Rat, konsequent einen Schlussstrich zu ziehen, Insolvenz anzumelden. Zwar gibt es immer noch Nachgeplänkel mit dem früheren Hauptgesellschafter, der unter dem alten Namen Boutiquen in Berlin und Leipzig betreibt. Aber die beiden hoffen, dass nun endlich Ruhe einkehrt. „Es ist Platz genug für alle da“, sagt Stelly versöhnlich.

Die Trauer über das verlorene Unternehmen kompensierte Scheper-Stuke mit Recherchen für den Neuanfang. Im Souterrain des großen Ladengeschäfts im Hackeschen Hof III befinden sich ein Regal mit Stoffen, ein Zuschneidetisch, an dem Chefdirectrice Dagmar Hartmann gerade für prominente Politiker arbeitet, ein 150 Jahre alter Spiegel zur Anprobe, zwei 250 Jahre alte chinesische Sessel aus der Sammlung von Günther Stelly und ein auffällig rotes Sofa, auf dem er zusammen mit dem Patensohn Platz genommen hat. Der wischt wie verrückt über sein Handy, um all die Dokumente zu zeigen, die er zum Thema „Auerbach“ aufgetrieben hat.

Der neue Laden hat besonderen Vintagecharme

Ildefons Auerbach war ein jüdischer Unternehmer, der sich 1912 selbstständig gemacht hat. Er stellte Krawatten her, verkaufte sie jedoch nicht unter seinem eigenen Namen. Im Januar 1939 wurde er von den Nazis gezwungen, sein Unternehmen aufzulösen. Was Stelly besonders berührt, ist die Tatsache, dass er den Antrag zur Auflösung selber stellen und mit dem Hitler-Gruß unterschreiben musste. Immerhin gelang ihm und seiner Frau Charlotte über Schweden die Flucht in die USA. Dort verstarb er im Alter von 60 Jahren in Beverly Hills. Die Todesanzeige befindet sich auch im Handy.

„Auerbach Manufaktur Berlin“ steht nun auf allen Etiketten der Schlipse und Schleifen, der Schals und auch der geblümten Kummerbunde. Darüber prangt ein Windhund mit himmelwärts gerecktem Kopf. Den hat Scheper-Stuke mit einem Grafiker umgesetzt. Während er erzählt, betritt eine französische Touristengruppe das Geschäft. Der Name „Auerbach“ läuft natürlich schon wegen der Assoziation zu „Auerbachs Keller“, aber der Zusatz „Berlin“ auf den Seidenkrawatten macht sie auch zu einem beliebten Mitbringsel. Leicht zu transportieren sind sie schließlich auch. Und der neue Laden hat mit seinen unverputzten Wänden einen besonderen Vintagecharme.

Die Sockenfarbe muss immer zur Schleife passen

Auf dem Treppenabsatz stehen dunkle chinesische Vasen aus der Sammlung von Günther Stelly, darüber hängt ein schwerer, schwarz gestrichener Messingleuchter. Ein großes Schwarz-Weiß-Bild zeigt Stelly und Scheper-Stuke. Die beiden wollen jetzt gemeinsam die Marke verkörpern, hier der Gentleman ohne Alter, dem man die 75 Jahre überhaupt nicht ansieht, dort der lebenslustige junge Dandy knapp über 30, dessen Sockenfarbe unbedingt zum Ton der Schleife passen muss, die er gerade trägt.

Die schlechten Erfahrungen haben sie auch zusammengeschweißt. Neben der Chefdirectrice blieben auch die Näherinnen treu, junge Verkäufer kamen hinzu. Auch die italienischen Weber und die Galeries Lafayette blieben treu. Und diese Treue zahlt sich aus. Bei Lafayette gehört Auerbach inzwischen zu den meistbesuchten Ständen. Auch der Pop-up-Store in der Schlüterstraße 38 und das Hauptgeschäft in den Hackeschen Höfen liegen in ihren Umsätzen über den Verkaufszahlen, die sie von früher her kennen. Ein Onlinestore soll demnächst folgen. Aber die beiden wollen sich nicht mehr vor Gericht aufreiben, sondern mit positiver Energie in die Zukunft starten.

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