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Im Mittelpunkt vom Hintergrund. Protokollchef Enrico Brissa organisierte am Freitag den Neujahrsempfang des Bundespräsidenten im Schloss Bellevue mit Joachim Gauck und seiner Lebenspartnerin Daniela Schadt.

© Davids/Sven Darmer

Neujahrsempfang von Joachim Gauck: Der Mann fürs Protokoll im Schloss Bellevue

Bundespräsident Joachim Gauck hat gerade zum Neujahrsempfang geladen - alles ganz nach Protokoll. Das war auch der Tag von Enrico Brissa, der sich im Schloss Bellevue darum kümmert, dass sich alle wohlfühlen. Was macht so ein Protokollchef?

Zum ersten Mal zu Gast im Schloss Bellevue, zum ersten Mal dem Bundespräsidenten begegnen. Gerade für die 60 verdienten Bürger, die zum Neujahrsempfang des Bundespräsidenten eingeladen werden, ist das oft ein Grund zur Aufregung. Schließlich handelt es sich um Menschen, die selbstlos ganz viel für andere tun, aber noch nie mit Orden ausgezeichnet worden sind. Also in der Regel nicht gerade um Salonlöwen, sondern eher um das glatte Gegenteil.

Sie kommt im Juni nach Berlin.
Sie kommt im Juni nach Berlin.

© dpa

Zum Glück gibt es das Protokoll. Das ist unter anderem dafür da, ein Klima zu schaffen, in dem sich alle wohlfühlen. Bei großen glanzvollen Staatsbesuchen wie dem der Queen im Juni gilt das ebenso wie beim Empfang für das Diplomatische Corps in der kommenden Woche. Und die Bürger wurden auch diesmal gut vorbereitet auf ihren großen Auftritt. Protokollchef Enrico Brissa erzählt, dass schon lange vorher Briefe herausgegangen sind. Daher wusste zum Beispiel eine Bayerin, dass Trachten durchaus erwünscht sind und kam am Freitag in ihrem schönsten Dirndl, das sonst nur bei Taufen und Hochzeiten zum Einsatz kommt. Schon am Vorabend des Defilees gab es eine Generalprobe. Der Bundespräsident, seine Partnerin und der Protokollchef wurden dabei von Mitarbeitern des Amtes gedoubelt. Gorden Trettin, ehrenamtlicher Volleyball-Jugendwart aus Chorin, war ganz beeindruckt, wie locker das ablief: „Man hat sich gleich wie zu Hause gefühlt.“ Brissa selbst war nicht dabei. Er musste seine Stimme schonen, denn beim Empfang für das öffentliche Leben ist es seine Aufgabe, alle Namen laut und deutlich aufzurufen.

Für den 43-jährigen Juristen, der vor vier Jahren von der Bundestagsverwaltung ins Bundespräsidialamt gewechselt ist, sind Neujahrsempfänge und Staatsbesuche „Hochämter des Protokolls“. Protokoll betrachtet er als „Symbolsprache ordnenden Charakters“, als „einen Erfahrungsschatz, der Abläufe sichert, damit die Dinge auch klappen“. Das bedeutet aber nicht, dass alles starr nach Plan laufen muss. Besonders berührt hat ihn vor Jahren ein Moment beim Neujahrsempfang, als der Bundespräsident einer hochbetagten Auschwitz-Überlebenden half, in den nächsten Raum zu gelangen und dafür seinen Platz beim Defilee kurz verließ.

Schöne Aussicht. Auf Bellevue fand der Neujahrsempfang statt.
Schöne Aussicht. Auf Bellevue fand der Neujahrsempfang statt.

© dpa

Der Neujahrsempfang bilde auch die Integrationsaufgabe des Bundespräsidenten ab, der den Staat in seiner Vielfalt repräsentieren soll. Deshalb und vor allem auch, um „Danke“ zu sagen für das Engagement, werden zu den Spitzen der Gesellschaft seit Anfang der 70er Jahre auch die engagierten Bürger eingeladen. Sie verdanken das einer Unterhaltung des damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann mit einer Krankenschwester. Das ist ein komplett anderes Konzept als die Defilees zu Ende des 19. Jahrhunderts. 1897 defilierten 4000 Leute am Kaiser vorbei, um ihm zu huldigen, ihre Loyalität zum Ausdruck zu bringen oder erstmals bei Hofe eingeführt zu werden. Anders als ein Bundespräsident, der gestern gut 200 Gäste empfing, musste der Kaiser keine Hände schütteln.

Eine nervöse Natur ist eher hinderlich

Brissa hat sich mit der Geschichte des Protokolls ausgiebig befasst. Der Vater von vier Kindern im Alter zwischen vier und 17 Jahren ist überzeugt, dass man fürs Protokoll eine bestimmte Veranlagung mitbringen muss. Gelassenheit gehört dazu, eine hohe Aufmerksamkeit und die Fähigkeit, schnell zu reagieren. Weltoffenheit braucht es natürlich auch, aber die ist dem Sohn eines italienischen Vaters und einer deutschen Mutter mit in die Wiege gelegt worden. Sein Motto lautet: „Im Zweifel mache es selbst.“ Das bedeutet, dass man auch mal einspringt, ohne Angst, einem anderen in die Zuständigkeit reinzufunken. Improvisationstalent ist wichtig, wenn technische Defekte einen Ablauf gefährden. Eine nervöse Natur ist dabei eher hinderlich, aber darunter leidet Brissa ohnehin nicht. Aufgewachsen in Heidelberg, wo der Vater an der Universität tätig war, lernte er Berlin zunächst durch sein Hobby Rugby kennen. Ein Ball liegt noch auf dem Regal in seinem Büro, daneben stehen signierte Bilder, unter anderem vom holländischen Königspaar.

Im Juni kommt vielleicht noch ein Bild dazu. Der Besuch der Queen wird auch für das Protokoll ein absoluter Höhepunkt sein, der viel Vorbereitung verlangt. Brissa freut sich immer, wenn internationale Gäste überrascht sind über die Vielfalt der Küche und die guten deutschen Weine. Bei der Auswahl der Tafelmusik vor dem Hauptgang und vor dem Dessert achtet er darauf, dass es durch den Interpreten oder das Musikstück einen Bezug gibt zum Herkunftsland der Gäste. Ob er für die Queen Händel oder vielleicht sogar Sir Simon Rattle am Flügel eingeplant hat, lässt er sich noch nicht entlocken, weiß es vielleicht auch noch gar nicht. Nur so viel: „Ein Flügel nimmt immer sehr viel Platz weg.“ Während von den verdienten Bürgern nicht erwartet wird, dass sie Geschenke mitbringen, obwohl manche doch eine Gabe überreichen, ist der Austausch von Geschenken bei Staatsbesuchen obligatorisch, Teil der Symbolsprache. Die eingehenden sind allerdings Eigentum der Bundesrepublik Deutschland. Gefällt dem Bundespräsidenten eines besonders gut, könne er es käuflich erwerben, sagt Brissa.

Mittagessen im großen Saal

Nach dem Empfang am Freitag waren die verdienten Bürger von Bundespräsident Joachim Gauck und seiner Partnerin Daniela Schadt noch zu einem Mittagessen im großen Saal eingeladen. Gegessen wurde von dem KPM-Porzellan, das der damalige Regierende Bürgermeister Ernst Reuter dem Bundespräsidenten anlässlich des Wiederaufbaus von Schloss Bellevue geschenkt hatte. Auf den Menükarten mit Bild vom Schloss Bellevue stand unter anderem Sauerbraten vom Fleckvieh. Die Berlinerin Evelyn Bawolski hatte ihr beträchtliches Lampenfieber schon nach dem Händedruck mit dem Präsidenten überwunden und konnte sich ganz entspannt darauf freuen, einmal im Leben wie ein Staatsgast zu essen.

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